Professor Dr. Rudolf Wendt

Finanzierungsverantwortung für gesetzgeberisch veranlaßte kommunale Aufgaben

Professor Dr. Rudolf Wendt

 

I. Einführung

Wer in der jüngeren Vergangenheit die rechtliche und rechtspolitische Diskussion im kommunalen Raum verfolgt hat, weiß, daß die Frage der finanziellen Verantwortung des Gesetzgebers für von ihm veranlaßte kommunale Aufgaben heute zu den beherrschenden Themen gehört. Zunächst waren es eher die Länder, die sich dagegen wehrten, daß der Bundesgesetzgeber ihnen kostenträchtige Aufgaben zuwies und ihre ohnehin angespannten Haushalte in Bedrängnis brachte. Heute sind es vor allem die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften, die es nicht länger hinnehmen wollen, daß ihnen fremdbestimmte Aufgaben übertragen werden, deren Finanzierung nicht gesichert ist. Ob den Kommunen - Gemeinden und Kreisen - bei diesem Aufbegehren Erfolg beschieden sein kann, muß sich an Hand einer Analyse der einschlägigen kommunalrechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorschriften erweisen, wobei den finanzverfassungsrechtlichen Vorschriften besondere Bedeutung zukommt. Damit berührt die Behandlung der gestellten Frage Rechtsgebiete, die innerhalb eines weitgespannten Interessenfeldes und wissenschaftlichen Werkes stets zu den bevorzugten Arbeitsgebieten Klaus Sterns gehört haben und auf denen er Bahnbrechendes geleistet hat. Das heutige Verständnis der verfassungsrechtlichen Stellung der Gemeinden und Gemeindeverbände innerhalb des Aufbaus von Staat und Verwaltung nach dem Grundgesetz ist wesentlich von dem Jubilar mitgeprägt worden. Zu Recht schenkt er bei seinen wissenschaftlichen Bemühungen um Idee und Verwirklichung der verfassungsgarantierten kommunalen Selbstverwaltung, in der er wegen ihres machtaufteilenden und -balancierenden Charakters eine wesentliche Grundlage für die freiheitliche Ordnung der Demokratie sieht, gerade der Frage der finanzverfassungsrechtlichen Sicherung der kommunalen Selbstverwaltung besondere Aufmerksamkeit. Auch speziell die Gefährdung der - insbesondere finanziellen - Leistungsfähigkeit der Kommunen durch die staatliche Statuierung von (Pflicht-)Aufgaben wird von Klaus Stern früh als Problem erkannt.

Der Widerstand der Kommunen gegenüber der Zuweisung kostenträchtiger Aufgaben hängt nicht davon ab, ob es der Bundes- oder Landesgesetzgeber ist, der ihnen die Aufgaben und Ausgaben aufbürdet. Keinen großen Unterschied macht es für die Kommunen auch, ob die Aufgaben- und Ausgabenzuweisungen primär der Entlastung der öffentlichen Haushalte der anderen Ebenen dienen oder ob es sich um echte Ausweitungen des Leistungsangebots der öffentlichen Hand gegenüber dem Bürger handelt. Als Beispiel für den ersteren Fall mögen vom Bund auf dem Wege einer entsprechenden Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vorgenommene Kürzungen und Begrenzungen der Arbeitslosenhilfe dienen. Die Folge derartiger Aufgaben- und Ausgabenbeschränkungen beim Bund ist, daß den Kreisen und kreisfreien Städten zusätzliche Ausgaben bei der verstärkt eingreifenden Sozialhilfe entstehen, mithin eine Lastenverschiebung vom Bund auf die Kommunen erfolgt. Eine Lastenverlagerung auf die Kommunen bringt auch die im Rahmen der Bahnstrukturreform gesetzlich beschlossene Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs. Die neuen finanziellen Lasten, die hiernach auf die Kommunen zukommen, sind noch nicht exakt abzuschätzen. Soweit die Wahrnehmung der entsprechenden Aufgaben auf die Kommunen übertragen wird, erwarten sie zum mindesten, daß die für den öffentlichen Personennahverkehr nach dem Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs den Ländern vom Bund aus dem Mineralölsteueraufkommen zur Verfügung gestellten Ausgleichsmittel (§ 5 Regionalisierungsgesetz) an sie weitergegeben werden.

Ein besonders spektakuläres und vielerörtertes Beispiel für den Fall einer Aufgabenübertragung, die keine - aus mehr oder weniger sachbezogenen Motiven gespeiste - Aufgaben- und Ausgabenverlagerung, sondern eine echte Aufgabenausweitung zum Gegenstand hat, stellt die gesetzliche Verankerung eines Rechtsanspruchs des Bürgers auf einen Kindergartenplatz zum 1. Januar 1996 (§ 24 SGB VIII: Kinder- und Jugendhilfegesetz) dar, dessen Realisierung die Kommunen allein mit Investitionsmitteln in Höhe von wenigstens 21 Mrd. DM belastet. Gleichviel ob es sich um gesetzliche Aufgabenverlagerungen, die Kreation neuer oder die Ausweitung bisher schon wahrgenommener Aufgaben handelt, gleichviel auch, ob die Übertragung von Aufgaben aus plausiblen oder weniger plausiblen Gründen erfolgt: Die Kommunen wehren sich in immer stärkerem Maße gegen die Übertragung derartiger fremdbestimmter Aufgaben, wenn die Finanzierung nicht gesichert ist. Sie schicken sich an, Klage beim Landes- oder Bundesverfassungsgericht zu erheben. Kreise, Städte und Gemeinden sind sich darin einig, daß insbesondere derjenige, der ihnen Aufgaben ohne eigenen Entscheidungsspielraum überträgt, voll und ganz für diese Aufgaben bezahlen müsse.

Die Kommunen stützen sich u. a. auf die Ergebnisse einer von den hessischen kommunalen Spitzenverbänden angeregten rechtsgutachtlichen Untersuchung. Danach wird z. B. die durch § 96 Abs. 1 Satz 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) vorgenommene unmittelbare Übertragung von Sozialhilfeaufgaben durch den Bund auf die kreisfreien Städte und die Kreise schon deshalb für verfassungswidrig erachtet, weil hiermit unzulässigerweise in die Organisationsgewalt der Länder eingegriffen werde. Von prominenter Seite wird den Kommunen zudem bescheinigt, daß die bundesrechtliche Einführung eines Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz schon aus kompetenzrechtlichen Gründen verfassungswidrig sei. Bei diesen Terraingewinnen lassen es die Kommunen nicht bewenden. Selbst für den Fall bundesrechtlich veranlaßter Ausgaben rügen sie eine Mitverantwortung der Bundesländer für die beanstandeten Fehlentwicklungen, ja zeihen sie der heimlichen Kollusion. Sie halten ihnen vor, die Durchgriffe des Bundes auf die Kommunen zu tolerieren, weil sie befürchteten, sonst selber zur Finanzierung herangezogen zu werden. Ob dies für die Kommunen ein taugliches Mittel ist, die Bundesländer auf ihre Seite zu bringen, mag dahinstehen. Nicht zuletzt werden - so vom Deutschen Städtetag - zur Absicherung des Finanzstatus der Kommunen Änderungen des Grundgesetzes und der Landesverfassungen verlangt. Um ein für allemal Remedur zu schaffen, müsse, fordert man, Art. 104 a GG künftig im Verhältnis von Bund zu Ländern und Kommunen das Prinzip eindeutig festschreiben, daß ohnehin fremdbestimmte Ausgaben grundsätzlich derjenige zu tragen habe, der sie durch ein Gesetz verursacht habe.

Die Klärung der aufgeworfenen Fragen ist für die Kommunen um so dringlicher, als sie weitere Bedrohungen ihres Finanzstatus auf sich zukommen sehen. Die Steuerausfälle, die auf Grund der Neuregelung von Kindergeld und steuerlichem Kinderfreibetrag im Zuge der Reform des sog. Kinderlastenausgleichs durch das Jahressteuergesetz 1996 den Kommunen beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer entstehen, werden auf rund vier Milliarden DM veranschlagt. Zwar hat der Bund den Ländern zum Ausgleich der bei diesen selbst und den Kommunen durch das Gesetz bewirkten Steuerausfälle einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer zugestanden. Doch sehen die Kommunen damit noch nicht garantiert, daß sie von den Ländern tatsächlich für die auf sie entfallenden Steuerausfälle entschädigt werden - ungeachtet aller Beteuerungen der Länder, die kommunalen Belastungen "fair und voll" auszugleichen. Sie hegen Zweifel an der Weitergabe der vom Bund zugestandenen Mittel, ja an der Rolle der Länder als "fürsorgende, selbstlose Treuhänder kommunaler Finanzmittel" überhaupt. Wie sonst, fragen sie, sei es zu erklären, daß die Länder sich im Vermittlungsverfahren über das Jahressteuergesetz 1996 dem einfachsten und sichersten Weg zur Kompensation der bei den Kommunen durch das Gesetz hervorgerufenen Steuerausfälle verweigert hätten. Immerhin sei ja die Bundesregierung im Einvernehmen mit den kommunalen Spitzenverbänden bereit gewesen, einen Ausgleich durch Anhebung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer von 15 auf 16 Prozent zu schaffen.

 

 

II. Fragestellung

Es ließe sich leicht an Hand weiterer Beispiele zeigen, wie vielfältig die Mechanismen sind, über die nach und nach eine Erosion der finanziellen Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung herbeigeführt werden kann. Doch bleibt auch bei einer Beschränkung auf das Thema der finanziellen Verantwortung des Gesetzgebers für von ihm veranlaßte kommunale Aufgaben genügend Diskussionsstoff. Im Blick auf die zur Illustration des Themas skizzierten Beispiele, die sich ohne weiteres vermehren ließen, schält sich rasch - ohne daß es auf die Bewertung der Beispiele im einzelnen ankäme - die zu beantwortende Kernfrage heraus: Ist es verfassungsrechtlich zulässig, daß der Bund oder die Länder die kommunalen Gebietskörperschaften per Gesetz zu Aufgaben- und Kostenträgern erklären, ohne einen gesicherten Kostenausgleich bei den Sachausgaben (Zweckausgaben) und Verwaltungsausgaben vorzusehen - sei es einen vollständigen, sei es einen teilweisen? Ist, umgekehrt, ein Kostenausgleich zwingend geboten? Bei der Suche nach einer Antwort ist folgendes zu bedenken: Verantwortlich im Sinne der Urheberschaft für die Aufgabenerfindung und -zuordnung oder die Aufgabenausweitung ist in diesen Fällen der Bund oder das Land. Auch für die Entstehung der neuen Ausgabenlast ist der Bund oder das Land jedenfalls ursächlich im Sinne der Conditio-sine-qua-non-Kausalitätsformel. Ist die Aufgabenzuweisung rechtmäßig, sind verantwortlich für die Aufgabenerledigung dagegen die Kommunen, ohne daß sie sich ihrer Zuständigkeit, sei sie gewollt oder unerwünscht, entziehen könnten. Auch die Verantwortung für die Tragung der Kosten, die mit der Erledigung der Aufgaben verbunden sind, fällt mangels einer erkennbaren entgegenstehenden Verfassungsregel mit innerer Zwangsläufigkeit zunächst einmal den Kommunen als den verantwortlichen Aufgabenträgern zu. Nur wenn eine Kostenübernahme- oder Kostenausgleichspflicht der kostenveranlassenden Hoheitsebene bestünde, wäre gleichwohl eine dauerhafte Diskrepanz zwischen Ausgabenveranlassung und (wenn nicht Ausgabenverantwortung, so doch) Finanzierungsverantwortung vermieden. Könnte, so ist zu fragen, die Verfassung eine derartige dauerhafte Diskrepanz zwischen Ausgabenveranlassung und Finanzierungsverantwortung überhaupt hinnehmen? Läge in der Hinnahme eines unkontrollierten Auseinanderdriftens von Aufgabenerfindung und Lastentragung nicht ein kardinaler Strukturfehler unserer finanzverfassungsrechtlichen und staatswirtschaftlichen Ordnung, der nicht nur zur kompetenzmäßigen Zersplitterung eines einheitlichen Verantwortungsbereichs, sondern zu einem gesamtökonomisch unwirtschaftlichen Einsatz der öffentlichen Mittel bzw. zu einer Überforderung der öffentlichen Finanzwirtschaft führte? Immerhin liegt auf der Hand, daß sich zu Lasten fremder Kassen neue Aufgaben allemal leichter kreieren lassen als zu Lasten des eigenen Haushalts.

Die Brisanz der Frage, ob und inwieweit der zuständige Gesetzgeber Aufgaben festlegen und einem anderen Hoheitsträger zuweisen darf, ohne zugleich eine Regelung zum Ausgleich des Ausgabenmehrbedarfs vorzusehen, braucht im Blick auf die Folgen einer permanenten Verlagerung von Aufgaben auf die kommunale Ebene ohne gesicherten und ausreichenden finanziellen Ausgleich nicht besonders betont zu werden. Freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben müssen aufgegeben werden, um die dadurch frei werdenden finanziellen Mittel für die Erledigung der neuen (Pflicht-)Aufgaben einsetzen zu können, die verfügbaren Finanzmittel bleiben immer weiter hinter den für die Erfüllung der Pflichtaufgaben notwendigen Mitteln zurück, die wachsende Verschuldung führt zu einem stetig größer werdenden Rückstand in der Leistungsfähigkeit. Damit wird kein Schreckensszenario entwickelt, das von der kommunalen Wirklichkeit weit entfernt läge. Empirische Untersuchungen belegen längst, daß sich die Schere zwischen den Kosten für die Wahrnehmung von Pflichtaufgaben und den verfügbaren Finanzmitteln aus eigenen Einnahmen und Landeszuweisungen immer weiter öffnet.

 

 

III. Kommunales Selbstverwaltungsrecht und Finanzhoheit

Zwar soll an dieser Stelle das Ergebnis der anzustellenden Überlegungen noch nicht vorweggenommen werden. Doch läßt sich bereits jetzt feststellen, daß es schwer vorstellbar ist, daß die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG), die für Gemeinden wie Kreise gilt, gegenüber einer permanenten Aufgaben- und Ausgabenverlagerung auf die Kommunen und der daraus resultierenden Gefährdung der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung keine Schranken aufrichten sollte. Zutreffend erkennt denn auch die Rechtsprechung an, daß Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltung nicht nur durch Aufgabenentzug oder durch Vorgaben zur Art und Weise der Aufgabenerfüllung erfolgen, sondern auch durch die Übertragung von zusätzlichen Aufgaben, die die kommmunalen Ressourcen in erheblichem Maße beanspruchen und dadurch die Kapazitäten zur Wahrnehmung der Selbstverwaltungsaufgaben schmälern. Maßstab für die Beurteilung der Zulässigkeit solcher Eingriffe muß in erster Linie die Selbstverwaltungsgarantie sein. Dabei ist zu berücksichtigen, daß von dieser Garantie nicht nur die eigenverantwortliche Erfüllung der Aufgaben von Gemeinden und Kreisen, sondern auch die finanziellen Grundlagen der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung umfaßt werden (Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG). Das wiederum bedeutet, daß selbst dann, wenn die Aufgabenübertragung durch Bund und Land auf die Kommunen als solche prinzipiell auf keine verfassungsrechtlichen Grenzen stößt, weiter zu fragen ist, um welchen Preis sie zulässig ist, soweit es sich um eine ausgabenverursachende, d. h. die kommunalen Finanzen belastende Aufgabenübertragung handelt. Läßt sich die Frage der Finanzierung im konkreten Fall nicht lösen, könnte es durchaus sein, daß die betreffende gesetzliche Aufgabenbegründung und -zuordnung letztlich zu unterbleiben hat. Der gesetzliche Anspruch auf einen Kindergartenplatz etwa ist verfassungsrechtlich nicht gefordert, ebensowenig wie die Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen über die Sozialhilfe.

Zur Garantie der finanziellen Eigenverantwortung der Gemeinden und Kreise, die bereits vor ihrer ausdrücklichen Anerkennung durch Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG zu den Kerngehalten der Selbstverwaltungsgarantie zu rechnen war, gehört zum einen eine eigenverantwortliche Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft, zum anderen das Recht auf eine angemessene, d. h. aufgabengerechte Finanzausstattung. Denn auch auf dieser Ebene unserer Verwaltungsordnung gilt, daß die von Verfassungs wegen geschaffenen Kompetenzträger finanziell in den Stand gesetzt werden müssen, die ihnen zukommenden Aufgaben auch wahrzunehmen. Gerade im Zusammenhang mit der Frage der finanziellen Verantwortung des Gesetzgebers für von ihm veranlaßte kommunale Aufgaben wird hervorgehoben, daß sich aus diesen Prämissen jedenfalls ergibt:

a) Das Selbstverwaltungsrecht des Art. 28 Abs. 2 GG ist entgegen einer in der Judikatur vertretenen Auffassung nicht erst verletzt, wenn der Zustand einer "finanziellen Strangulation" bzw. "finanziellen Erdrosselung" von Kommunen erreicht wird oder wenn das Selbstverwaltungsrecht bereits ausgehöhlt ist. Die Grenze ist weitaus früher anzusetzen.

b) Da die Selbstverwaltungsgarantie unstreitig einen Bestand an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben gewährleistet, muß die finanzielle Mindestausstattung so bemessen sein, daß die Kommunen neben den pflichtigen Selbstverwaltungs- und Weisungsaufgaben auch noch freiwillige, selbstgewählte Angelegenheiten erfüllen können. Das gilt für Gemeinden und Kreise gleichermaßen.

Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, ob aus der Bindung von Bund und Land an die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG folgt, daß bei der Zuweisung von Aufgaben an die Kommunen zugleich Regelungen zum Ausgleich des Ausgabenmehrbedarfs getroffen werden müssen. Zu beachten ist allerdings, daß, wie bereits oben angedeutet, über die Frage der Notwendigkeit eines finanziellen Ausgleichs sinnvollerweise nur diskutiert werden kann, wenn die Aufgabenübertragung als solche verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Diese Frage ist vorrangig zu klären.

 

 

IV.      Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Aufgabenzuweisung als solcher

Sie ist für die landesgesetzliche und bundesgesetzliche Aufgabenzuweisung unterschiedlich zu beantworten. Was den Landesgesetzgeber angeht, so hat die Ermittlung und Abwägung der für die Aufgabenverlagerung sprechenden Gründe und der mit dieser Aufgabenübertragung verbundenen Einschränkung des eigenen Betätigungsbereichs der Kommunen an Hand von Sachkriterien unter Orientierung an den Anforderungen zu erfolgen, die an eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung zu stellen sind. Bei der hiernach gebotenen Feststellung und Bewertung der für und gegen die Aufgabenverlagerung ins Feld zu führenden Gründe wird man dem von Haus aus für das Kommunalrecht zuständigen Landesgesetzgeber einen Einschätzungsspielraum zubilligen müssen. Landesrechtliche Zuweisungen von Aufgaben an die Kommunen werden daher nur in Ausnahmefällen angreifbar sein. Um so größere Bedeutung gewinnt daher die Frage nach der Notwendigkeit finanzieller Folgeregelungen im Landesrecht.

Anders verhält es sich bei Aufgabenzuweisungen durch den Bundesgesetzgeber. Die Kommunen sind in unserem zweistufigen föderativen Staatsaufbau Teil der Länder. Angesichts der Trennung der Verfassungsräume von Bund und Ländern kommt grundsätzlich eine direkte bundesgesetzliche Aufgabenübertragung auf die Kommunen nicht in Betracht. Art. 84 Abs. 1 wie Art. 85 Abs. 1 GG erklären grundsätzlich die Länder auch dann, wenn sie Bundesgesetze ausführen, für zuständig zur Einrichtung der Behörden. Auch in diesem Falle haben wegen ihrer Verwaltungsverantwortung primär die Länder darüber zu befinden, ob die Ausführung von Bundesgesetzen durch Landes- oder durch Kommunalbehörden erfolgen soll. Nicht nur die Bestimmung der Art der Aufgabe - Auftragsangelegenheit, pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit, Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung -, sondern auch die Bestimmung der Verwaltungsebene ist grundsätzlich Sache der Länder, zumal sich z. B. Auswirkungen auf den kommunalen Finanzausgleich und die Höhe der Kreisumlage ergeben. Daher ist es richtig, wenn das Bundesverfassungsgericht eine Einschaltung der Gemeinden und Gemeindeverbände in den Vollzug der Bundesgesetze durch den Bundesgesetzgeber nur unter besonderen Voraussetzungen für zulässig erklärt, nämlich nur dann, wenn es sich um eine punktuelle Annexregelung zu einer zur Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers gehörenden materiellen Regelung handelt und wenn diese Annexregelung für den wirksamen Vollzug der materiellen Bestimmung notwendig ist. Dies gilt um so mehr, als dann, wenn der Bund selbst Gemeinden und Kreise zur Erledigung einer Sachaufgabe für zuständig erklärt, er in Wahrheit nicht nur die Errichtung der Behörden regelt, sondern eine komplette Verwaltungsebene fixiert und diese als für die Gesetzesausführung zuständig erklärt. Mit Art. 84 Abs. 1 GG ist ein solches bundesrechtliches Vorgehen nur wegen des extrem weiten Verständnisses der in der Verfassungsnorm getroffenen Ausnahmeregelung vereinbar. Der Bund darf nicht praktisch voraussetzungslos auf die kommunale Ebene "durchgreifen". Es ist ja auch nicht so, daß die Länder ihre Verwaltungsverantwortung für die ordnungsgemäße Ausführung von Aufgaben verlören, wenn die Kommunen mit dem Gesetzesvollzug betraut sind.

In jüngerer Zeit wird im Schrifttum immer stärker in Zweifel gezogen, daß die unmittelbare Übertragung der Sozialhilfeaufgaben durch den Bund auf die kreisfreien Städte und Kreise den genannten Maßstäben genügt. In der Tat ist schwer erkennbar, warum § 96 Abs. 1 Satz 1 BSHG für einen wirksamen Vollzug des Bundessozialhilfegesetzes zwingend erforderlich sein sollte. Auch sonst ist der Eindruck verbreitet, daß in der Staatspraxis die Durchgriffe des Bundes auf die Kommunen weit über das von Rechtsprechung und Schrifttum für zulässig gehaltene Maß hinausgehen. Ob dies zutrifft, müßte durch entsprechende Einzelanalysen geklärt werden. Wenn sich dabei bestätigte, daß der Bund in der Vergangenheit in weit stärkerem Umfang als erlaubt den Gemeinden und Kreisen kostenintensive Aufgaben zugewiesen hätte, stünde damit nicht nur die Verfassungswidrigkeit dieser Inpflichtnahmen, sondern zugleich fest, daß die Länder es versäumt hätten, gegenüber diesen Durchbrechungen des prinzipiellen Dualismus des Bundesstaates, der im Grundgesetz als Strukturprinzip angelegt ist, Widerstand zu leisten und sich schützend vor ihre Kommunen zu stellen. Eine entsprechende Wachsamkeit der Länder in der Zukunft könnte dazu beitragen, die Dimension des behandelten Problems deutlich zu verringern. Verhinderte oder zu Fall gebrachte Aufgabenübertragungen des Bundes verursachen keine Kosten!

 

V.       Finanzierungsverantwortung für bundesgesetzlich zugewiesene          kommunale Aufgaben

1.       Gegenwärtige Verfassungsrechtslage

Für die verbleibenden Fälle einer zulässigen Übertragung von neuen pflichtigen Selbst- oder Fremdverwaltungsaufgaben durch den Bund auf Gemeinden und Kreise stellt sich die Frage einer finanziellen Ausgleichsverpflichtung des Bundes in unverminderter Schärfe. Die Antwort ist in den die Selbstverwaltungsgarantie konkretisierenden Bestimmungen der Finanzverfassung zu suchen. Der hier einschlägige Art. 104 a Abs. 1 GG kombiniert die Finanzierungslast mit der Aufgabenzuständigkeit, d. h. der verfassungsrechtlich zugewiesenen Verwaltungszuständigkeit aus Art. 83 ff. GG, nicht der Gesetzgebungszuständigkeit. Diese Lastenzuordnung gründet auf der Erwägung, daß der Partner des föderativen Gefüges, der für den Vollzug einer Aufgabe verantwortlich ist und damit die Funktion wahrnimmt, die unmittelbar die Kosten verursacht, auch für die Finanzierung dieser Aufgabe verantwortlich sein soll. Er soll über Art und Weise (Zweckmäßigkeit) des Gesetzesvollzugs und die sich daraus ergebenden Ausgabelasten selbstverantwortlich entscheiden können, d. h. in ungeteilter Verantwortung den rechtmäßigen und zweckmäßigen Gesetzesvollzug administrativ und finanziell sicherstellen; der Entscheidungsspielraum bei der Ausfüllung der Aufgabe soll durch die Gewährung eines von Einflußnahmen Dritter freien Finanzierungsspielraumes abgesichert werden. Das so verstandene Konnexitätsprinzip basiert mithin wesentlich sowohl auf der Einsicht, daß Recht und Pflicht zur Finanzierung eine staatliche Kompetenz bedeuten, als auch auf der Annahme, daß der Verwaltungsträger im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung über hinreichend große Spielräume verfügt, die ihm eine mehr oder weniger sparsame Tätigkeit ermöglichen. Er soll ebenso die Früchte sparsamen Verwaltungshandelns ernten wie die Lasten großzügigen Wirtschaftens tragen. Die für die Verwaltung zuständigen Länder tragen nach dieser Grundregel die Finanzverantwortung auch für bundesgesetzlich zwingend veranlaßte Kosten. Der Bund ist nicht berechtigt, geschweige denn verpflichtet, die von ihm bei den Kommunen veranlaßten Kosten zu übernehmen oder auszugleichen; nicht nur staatsrechtlich, sondern auch finanzverfassungsrechtlich sind die Kommunen den Ländern zuzurechnen. Daß die Länder einschließlich der Kommunen durch den Erlaß von Bundesgesetzen, die von ihnen in landeseigener Verwaltung vollzogen werden, finanziell belastet werden, ist nicht als unzulässiger Eingriff des Bundes in die haushaltswirtschaftliche Eigenständigkeit der Länder (Art. 109 Abs. 1 GG) zu werten, sondern als Konsequenz des Dezentralisationsprinzips unserer föderativen Verfassung. Diese hat - anders als die Verfassung der Vereinigten Staaten, die die Kompetenzen zwischen Bund und Einzelstaaten nach den verschiedenen Sachgebieten aufteilt - die Rechtsetzung typischerweise dem Bund, den Ländern dagegen für die Regelform des Gesetzesvollzugs die Verwaltungskompetenz vorbehalten, freilich auch die damit verbundenen Pflichten zugewiesen. Angesichts der dezidierten Trennung von Normsetzung einerseits und Vollzugs- und Kostenlast andererseits erwächst allerdings dem Bund aus seiner umfassenden Gesetzgebungskompetenz und seiner finanzpolitischen Gesamtverantwortung die Pflicht, die Länder und Kommunen im Wege der Steuer- und Finanzausgleichsgesetzgebung finanziell so auszustatten, daß sie die ihnen aufgebürdeten Ausgabelasten tragen können. Erkennt man dies an, sind der Schaffung von Aufgaben zu Lasten fremder Haushalte von vornherein Grenzen gesetzt.

Angesichts der wachsenden Finanznot der Kommunen will man sich hiermit neuerdings nicht mehr zufrieden geben. Es wird vielmehr versucht, Art. 104 a Abs. 1 GG "umzudeuten", indem die Verklammerung der Art. 83 ff. mit Art. 104 a Abs. 1 GG gelöst wird und Art. 104 a Abs. 1 GG so gedeutet wird, daß die bundesgesetzliche Kostenveranlassung - unbeschadet der Art. 83 ff. GG - zur Kostenübernahme durch den Bund führen soll. Damit dürften allerdings die Grenzen der Verfassungsinterpretation überschritten sein. Diese ist immer auch historisch bestimmt, und immerhin stammt die gegenwärtige Finanzverfassung erst aus dem Jahre 1969. Eine Ausnahme von der Grundregel des Art. 104 a Abs. 1 GG gilt für Bundesauftragsangelegenheiten, für die der Bund nach Art. 104 a Abs. 2 GG die Zweckkosten (aber nicht die Verwaltungsausgaben) trägt. Das gilt aber nur für die Bundesauftragsverwaltung im Sinne von Art. 85 Abs. 1 GG. Es ist daher verfehlt, wenn von manchen Autoren versucht wird, jedenfalls in Anlehnung an diese Ausnahmeregelung Zweckkosten, die den Kommunen entstehen, dem Bund für den Fall zuzuweisen, daß der Aufgabenvollzug pflichtig ist und wegen weitgehender gesetzlicher Determination des Normprogramms keine nennenswerten Gestaltungsspielräume verbleiben - das soll etwa beim Vollzug des Bundessozialhilfegesetzes durch die Kommunen der Fall sein. Derartige Interpretationsversuche sind nach der gegebenen Verfassungsrechtslage zurückzuweisen. Sie sind mit dem Wortlaut, der Systematik (siehe auch Art. 104 a Abs. 3 GG) und dem Sinn und Zweck des Art. 104 a GG unvereinbar. In Fällen wie dem des Bundessozialhilfegesetzes fehlt es an dem Aufsichtsinstrumentarium des Bundes und der damit verbundenen weitgehenden exekutiven Steuerungsbefugnis der Bundesbehörden, die es im Fall des Art. 104 a Abs. 2 GG rechtfertigen, das Konnexitätsprinzip, so wie es heute in Art. 104 a Abs. 1 GG normiert ist, zu durchbrechen.

 

2. Änderung des Art. 104 a GG?An diesen verfassungsrechtlichen Befund, nämlich die mangelnde Ableitbarkeit eines Aufwandsausgleichsanspruchs der Kommunen gegenüber dem Bund aus dem heutigen Art. 104 a GG, knüpft sich vielfach die Forderung nach einer Änderung dieser Vorschrift. Art. 104 a GG wird für überholungsbedürftig erklärt. Es wird geltend gemacht, daß die entscheidende Prämisse der Vorschrift in vielen Fällen nicht mehr zutreffe: nämlich die Existenz einer materiellen Verwaltungsverantwortung, auf deren Grundlage die im Ermessenswege ergehende Verwaltungsentscheidung wesentlichen Einfluß auf die Höhe der entstehenden Ausgaben habe. Angesichts der erreichten Normierungstiefe von Gesetzen sei der Normvollzug durch die Verwaltung heute häufig derart weitgehend determiniert, daß im wesentlichen bereits der Gesetzgeber über die Höhe der Ausgaben entscheide, die mit der Erfüllung einer Staatsaufgabe verbunden seien. Die geforderte Novellierung des Art. 104 a GG soll daher etwa vorsehen, daß der Bund dann die Zweckausgaben für die Wahrnehmung von Aufgaben durch die Länder und kommunalen Gebietskörperschaften trägt, wenn für diese kein nennenswerter Ausführungsspielraum besteht, das Ausgabevolumen also durch Bundesgesetz vorgegeben ist. Nach weitergehenden Vorstellungen soll die Ausgabenlast sogar grundsätzlich dem Bund als demjenigen Rechtsträger zufallen, der die (Zweck-)Ausgaben durch sein Gesetz verursacht habe. Die Novellierung soll die Kostenlast für die Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder inklusive der Kommunen also regelmäßig dem Bund zuordnen. Nur soweit den Ländern bzw. Kommunen bei der Gesetzesausführung - ausnahmsweise - ein Spielraum bleibe, seien sie mit den Kosten zu belasten.

 

 

a) Grundsätzliche Finanzierungsverantwortung des Bundes?

Jedenfalls der zweite, weitergehende Vorschlag ist problematisch. Der Vorschlag einer prinzipiellen Verlagerung der Finanzierungsverantwortung basiert auf fragwürdigen Annahmen. Es ist zu bedenken, daß es sehr wohl auch heute noch die für den Vollzug verantwortliche Körperschaft ist, die unmittelbar die Kosten der Aufgabenerfüllung verursacht. Ist der Spielraum der Verwaltung wirklich durchweg so gering, daß regelmäßig von einer materiellen Verwaltungsverantwortung und einem nennenswerten Einfluß der Verwaltung auf die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Aufgabenerfüllung keine Rede mehr sein kann? Was die pflichtigen Selbstverwaltungsangelegenheiten angeht, so besteht hier definitionsgemäß eine Eigenverantwortlichkeit der Kommunen jedenfalls hinsichtlich des "Wie" der Erledigung. Gegenüber der in der Tat zunehmenden gesetzgeberischen Steuerung der kommunalen Selbstverwaltung ist die richtige Antwort nicht Resignation, sondern die ständige Erneuerung der Forderung an den Gesetzgeber, die Gesetze auf die unverzichtbaren Regelungen zu beschränken, um den kommunalen Handlungs- und Entfaltungsspielraum zu bewahren, echte Verwaltungsverantwortung zu ermöglichen und damit das Recht auf kommunale Selbstverwaltung zu respektieren. Skeptisch gegenüber den Prämissen des geschilderten Vorschlags stimmt auch das ungeachtet aller Verrechtlichungstendenzen zu beobachtende verbreitete Phänomen einer Verantwortungsscheu des Gesetzgebers, der liebend gerne auch Entscheidungen von weittragender Bedeutung der Verwaltung aufbürdet. Zur richtigen Einschätzung des Spielraumes auch der gesetzesausführenden Verwaltung mag im übrigen der Blick auf das Steuerrecht beitragen. Diskutieren wir nicht selbst auf diesem Gebiet, einem der durchnormiertesten und ermessensfeindlichsten Rechtsgebiete überhaupt, über eklatante Unterschiedlichkeiten des Verwaltungsvollzuges?. Um wieviel mehr muß es diese Unterschiedlichkeiten in der Leistungsverwaltung, die hier in Rede steht, geben! Bemerkenswert ist, daß die Befürworter einer prinzipiellen Verlagerung der Finanzierungsverantwortung einräumen müssen, daß ihre Überlegungen selbst für die Zuordnung der Sozialhilfekosten nach dem Bundessozialhilfegesetz - einem der zentralen Ausgangspunkte der heute über die "richtige" Zuordnung der Finanzierungsverantwortung geführten Diskussion - keine eindeutige Lösung erlauben. Bezüglich der Kosten der Sozialhilfe wird "im Hinblick auf das in Teilbereichen noch vorhandene, aber engen rechtlichen Vorgaben unterworfene Ermessen der Aufgabenträger" der Vorschlag für "sinnvoll wie praktikabel" gehalten, daß der Bund als "Grundkosten" die Aufwendungen tragen solle, "die beim Vollzug des Gesetzes auf jeden Fall entstünden", während die Länder und die Kommunen mit den durch ihre Ermessensentscheidungen verursachten "Zusatzkosten" zu belasten seien.

Insgesamt ist hervorzuheben, daß wir im System unseres Wettbewerbsföderalismus gerade auf die große Variationsbreite der Modalitäten des verwaltungsmäßigen Vollzugs der öffentlichen Aufgaben setzen und sie auch als Ausdruck eines Wettbewerbs um den ökonomischeren Einsatz der Ressourcen werten. Kann es im übrigen Sache der Verwaltung und der Verwaltungsrechtswissenschaft sein, die Verwaltungsaufgabe als regelmäßig "en quelque facon nulle" zu bezeichnen? Der Grundgesetzgeber jedenfalls veranschlagt die Aufgabe der Exekutive hoch. Gegen die ausgedehnten Gesetzgebungskompetenzen des Bundes setzt er die grundsätzliche Verwaltungskompetenz der Länder, gerade auch für den Fall der Ausführung der Bundesgesetze. Seit jeher wird diese Zuordnung der Verwaltungshoheit an die Länder für so bedeutsam erachtet, daß man sie als geeignet ansieht, das Übergewicht des Bundes auf dem Feld der Gesetzgebung auszutarieren und die bundesstaatliche Balance herzustellen. Zu bedenken ist weiterhin, daß mit der grundsätzlichen Koppelung von bundesgesetzlicher Veranlassung von Aufgaben und Ausgaben und Kostentragung dem Bund ein derartiges Mehr an Finanzmacht zuwüchse, daß es den Ländern künftig schwerfiele, die volle Sachverantwortung für die ihnen obliegenden Aufgaben zu bewahren (Anziehungskraft des größeren Etats): Finanzierung begründet Sacheinfluß. Es würde eine gegenständlich kaum begrenzte, nur an die Bedingung eigenen gesetzgeberischen Tätigwerdens sowie die Voraussetzung der Zulässigkeit der jeweiligen Aufgabenübertragung geknüpfte Finanzierungskompetenz des Bundes geschaffen, während der Grundgesetzgeber versucht hat, die Befugnis aus dem heutigen Art. 104 a Abs. 4 Satz 1 GG an enge Voraussetzungen zu binden; die nach dieser Vorschrift möglichen Finanzhilfen dürfen nicht zur Durchsetzung allgemeiner wirtschafts-, währungs-, raumordnungs- oder strukturpolitischer Ziele des Bundes in den Ländern eingesetzt werden, d. h. sie lassen außerhalb der Förderungsziele des Art. 104 a Abs. 4 Satz 1 GG eine Einflußnahme aus bundespolitischer Sicht auf die Aufgabenerfüllung durch die Länder nicht zu. Zu berücksichtigen ist ferner: Je mehr man den Bund als den eigentlichen Garanten für die wirtschaftliche und sparsame Wahrnehmung einer von den Ländern oder Kommunen durchgeführten Aufgabe ansieht, um so mehr wird man ihn für berechtigt halten müssen, diese Wirtschaftlichkeit durch Detailregelungen und die Festlegung von Standards zu sichern. Für die Beibehaltung der Verknüpfung von Finanzierungslast und Aufgabenzuständigkeit spricht schließlich, daß die mit der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben für die Länder inklusive der Kommunen realiter verbundenen finanziellen Lasten vielfach durch den Gesamtzuschnitt der Landespolitik mitbestimmt werden. So können die Länder durch ihre Politik auch die Höhe der in ihrem Gebiet anfallenden Sozialhilfekosten beeinflussen. Zwar gibt es regionale Gegebenheiten, die von Staats wegen nicht geändert werden können, doch wird die Entwicklung eines Wirtschaftsraumes auch von den Erfolgen oder Mißerfolgen der Landespolitik geprägt.

 

b)       Finanzierungsverantwortung des Bundes beim Fehlen eines           Ausführungsspielraumes?

Zu diskutieren ist dagegen über den erstgenannten Vorschlag, nach dem bei einem erwiesenen Fehler eines eigentlichen Ausführungsspielraumes von Ländern oder Kommunen - und das heißt: im Ausnahmefall - der Bund zur Tragung der Zweckausgaben verpflichtet werden soll. Auch insoweit ist aber kritisch zu fragen, ob eine solche "Minimalisierung" der Verwaltungsverantwortung nicht im wesentlichen ein lediglich auf bestimmte Geldleistungsgesetze beschränktes Phänomen ist, so daß eine spezifisch hierauf abgestellte Problemlösung ausreichte. Bekanntermaßen versucht bereits der heutige Art. 104 a Abs. 3 GG den Besonderheiten von Geldleistungsgesetzen, die von den Ländern ausgeführt werden, Rechnung zu tragen, indem er eine fakultative Kostentragungspflicht des Bundes vorsieht. Die Auffassung, daß jedenfalls diese Regelung revisionsbedürftig ist, scheint sich immer mehr durchzusetzen. Verfassungspolitisch angreifbar ist die Vorschrift in der Tat zumindest deshalb, weil sie die Lastenverteilung zur Disposition des Bundesgesetzgebers stellt; damit wird dem essentiellen Bedürfnis nach einer klaren Abgrenzung der Finanzierungslasten nicht genügt. Bei allen Reformüberlegungen ist zu berücksichtigen, daß es verfassungspolitisch kaum erwünscht sein kann, selbst eine grundgesetzlich abgesegnete und gesetzlich gesteuerte Dotationswirtschaft des Bundes bzw. eine finanzielle Alimentierung der Länder durch Finanzbeiträge des Bundes auf breiter Front zu etablieren. Es fragt sich, ob Länder und Kommunen die Kraft hätten, sich gegenüber bundesrechtlichen Regelungen, die ihre Verwaltungsverantwortung ohne zwingende Gründe beschnitten, ja gegenüber Kompetenzübergriffen des Bundes zu wehren, die - wenn sie nur weit genug gingen - zur Folge hätten, daß die Finanzierungsverantwortung für die entsprechenden Aufgaben von Ländern und Kommunen auf den Bund überginge. Die Erfahrungen, die zur Finanzreform 1969 geführt haben, lehren das Gegenteil. Die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaft der Länder gemäß Art. 109 Abs. 1 GG sind ein hohes Gut, das sich zu verteidigen lohnt; sie machen allerdings eine aufgabengerechte Finanzausstattung der Länder unverzichtbar. Nach wie vor gilt, daß die Staatlichkeit des Bundes und der Länder sich nur dann wirksam entfalten kann, wenn sowohl der Gesamtstaat als auch die Gliedstaaten im Rahmen ihrer grundsätzlich selbständigen und voneinander unabhängigen Haushaltswirtschaften über hinreichende Anteile am Steueraufkommen verfügen und damit nicht von Zahlungen der anderen Seite abhängig sind. Finanzleistungen aus dem Bundeshaushalt an die Länder für Landesaufgaben schaffen die Gefahr von Abhängigkeiten der Länder vom Bund. Sie gefährden damit die verfassungsrechtlich garantierte Eigenständigkeit der Länder, denen das Grundgesetz die volle Sach- und Finanzverantwortung für die ihnen obliegenden Aufgaben eingeräumt hat. In einem System, das darauf angelegt ist, eine der Aufgabenverteilung gerecht werdende Finanzausstattung der Länder zu erreichen, sind daher nach dem bundesstaatlichen Grundverhältnis zwischen Bund und Ländern Finanzleistungen des Bundes an die Länder für Landesaufgaben allenfalls als Ausnahme denkbar. Bei jeglicher Veränderung des Systems der Zuordnung der Finanzierungsverantwortung ist nicht zuletzt zu berücksichtigen, daß bei der Erfüllung eigener Aufgaben durch Land und Kommunen mit Bundesmitteln die Neigung zu einer großzügigen Bewirtschaftung dieser Mittel - zu Lasten des fremden Haushalts - immer stärker sein wird, als wenn es sich um eigene Mittel handelt; auch kann eine hinreichende parlamentarische Kontrolle nur gegenüber derjenigen Verwaltung zur Geltung kommen, die jedenfalls grundsätzlich sowohl den Aufgabenvollzug als auch die Bereitstellung der dafür erforderlichen Mittel zu verantworten hat. Insgesamt bleibt zu bedenken, daß jede stärkere Heranziehung des Bundes zur Finanzierung der von den Ländern oder Kommunen durchgeführten Aufgaben zu einer Verbesserung der Finanzausstattung des Bundes führen müßte. Dies wiederum würde das Gewicht der Länder im Bundesstaat verringern: Wer zahlt, schafft an!

Es läßt sich daher feststellen, daß der vorgeschlagene Schritt zur weiteren Unitarisierung unseres Bundesstaates eine Fülle von Fragen aufwirft. Unvermeidlich würde er erst, wenn erwiesen wäre, daß die regulären Mechanismen der Finanzverteilung und des Finanzausgleichs des Bundesstaates keine angemessene Finanzausstattung der Gebietskörperschaften sichern könnten, d. h. eine Finanzausstattung, die auch die vom Bund zugewiesenen Aufgaben zu bewältigen erlaubt. Es erscheint daher richtig, grundsätzlich am Vorrang der aufgabengerechten Verteilung des Aufkommens der Gemeinschaftssteuern sowie am Vorrang des Finanzausgleichs vor Finanzbeiträgen des Bundes festzuhalten. Zugespitzt ließe sich daher sagen, daß die Überbürdung finanzieller Lasten auf Länder und Kommunen bei Licht besehen nur in zweiter Linie ein Thema des Art. 104 a GG ist - wenn man davon absieht, daß Art. 104 a Abs. 1 GG jedenfalls die mittelbare Aussage zu entnehmen ist, daß die Finanzausstattung dem Aufgabenbestand folgen muß. Vorrangig ist die Aufbürdung neuer Lasten in Art. 106, 107 GG zu thematisieren und rechtlich zu bewältigen. Im einzelnen: Die Aufgabe, den Ländern und Kommunen allgemein und speziell für die durch Bundesgesetz veranlaßten Aufgaben eine aufgabenadäquate Finanzausstattung zu sichern, fällt unter den gegebenen Umständen zunächst der in Art. 106 GG geregelten vertikalen Steuerertragsaufteilung zwischen Bund und Ländern zu. Da die Festlegung der Umsatzsteueranteile von Bund und Ländern an einer gleichmäßigen Deckung der notwendigen Ausgaben beider Seiten bei Abstimmung der jeweiligen Deckungsbedürfnisse aufeinander orientiert ist, hat bereits die vertikale Steueraufteilung sichtbar ausgaben- und bedarfsorientierten Charakter. Der Finanzbedarf der Kommunen ist dabei gemäß Art. 106 Abs. 9 GG als Teil des Länderbedarfs in die Rechnung einzustellen. Dem Bund muß im Rahmen von Ausgleichsverhandlungen nach Art. 106 Abs. 3 und 4 GG die Argumentation, daß Ausgaben für Aufgaben, die er selbst auf Grund seiner Gesetzgebungskompetenz den Kommunen auferlegt, nicht "notwendig" im Sinne des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 GG seien, von vornherein versagt sein. Für die definitiven zusätzlichen Kosten, die durch die bundesgesetzliche Erschließung neuer Aufgabenfelder für die Kommunen entstehen, muß daher ein Ausgleich über eine Neufestsetzung der Umsatzsteueranteile gemäß Art. 106 Abs. 3 und 4 GG geschaffen werden. Die Länder wiederum sind gehalten, die aus der Erhöhung ihres Anteils gewonnenen Mittel den Kommunen auch tatsächlich zufließen zu lassen. Denn ist vom Neufestsetzungsgesetzgeber auch angesichts der übrigen Aufgaben der Kommunen ein erhöhter kommunaler Finanzbedarf im Hinblick auf eine bundesgesetzlich zugewiesene Pflichtaufgabe anerkannt worden, so erfordert die richtige Mittelverteilung zwischen Land und Kommunen, daß die hinzugewonnenen Deckungsmittel auch tatsächlich den Kommunen zur Befriedigung ihres entsprechenden zusätzlichen Bedarfs zugeführt werden. Immerhin ist im betreffenden Falle der Neufestsetzung der Umsatzsteueranteile zwischen Bund und Ländern ja die Frage der Angemessenheit der kommunalen Finanzausstattung nach den einschlägigen verfassungsrechtlichen Vorgaben bereits entschieden - unter Berücksichtigung der insgesamt im Finanzverbund zusammengeschlossenen Körperschaften und ihrer Aufgaben und Belange. Ergänzend sei festgestellt, daß von einer stärkeren Bedarfsorientierung des Finanzausgleichs zwischen den Ländern (Art. 107 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG) die Kommunen auch hinsichtlich der ihnen bundesgesetzlich übertragenen Aufgaben profitieren könnten. Immerhin schreibt Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG ausdrücklich vor, daß bei dem Ausgleich der Finanzkraft der Länder die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Gemeinden und Gemeindeverbände zu berücksichtigen sind.

 

 

 

 

VI.      Finanzierungsverantwortung für landesgesetzlich zugewiesene           kommunale Aufgaben

Was die Frage der Finanzierungsverantwortung für durch den Landesgesetzgeber veranlaßte kommunale Aufgaben angeht, so ist zunächst allgemein hervorzuheben, daß die Inkongruenz zwischen unserem zweistufigen Staatsaufbau und der dreistufigen Verwaltungsgliederung zwangsläufig die Länder gegenüber den Kommunen in eine verfassungsrechtliche Garantenstellung bringt. Diese Garantenstellung ergibt sich aus dem Grundgesetz als Kehrseite der staatsorganisatorischen Zugehörigkeit der Kommunen zu den Ländern. Die daraus resultierende Finanzverantwortung gegenüber den Kommunen wird durch landesverfassungsrechtliche Vorschriften bestätigt und ausgeformt.

 

1. Garantie einer angemessenen kommunalen Finanzausstattung

Ihre rechtliche Verantwortung für eine ausreichende, aufgabenadäquate kommunale Finanzausstattung erkennen die Länder in ihren Verfassungen durch Vorschriften wie Art. 88 LV SachsAnh. ausdrücklich an. Diesen Verfassungsregelungen geht es zentral um die quantitative Sicherung der kommunalen Finanzausstattung, die durch verfassungsrechtlich garantierte eigene Einnahmen wie Steuern und die Garantie eines Finanzausgleichs gewährleistet wird. Diese landesverfassungsrechtlichen Garantien zur kommunalen Einnahmenhoheit und zum Finanzausgleich beziehen sich nicht auf einzelne kommunale Aufgaben, es geht ihnen also nicht darum, eine Konnexität zwischen bestimmten Aufgaben und den daraus resultierenden Ausgaben mit dem Ergebnis einer entsprechenden Einzel-Kostendeckung herzustellen. Es geht vielmehr um einen aufgabenunspezifischen Ansatz im Sinne einer Gesamtrechnung. Mittels der verschiedenen Einnahmequellen wird eine für die Aufgabenerfüllung insgesamt ausreichende Finanzausstattung gewährleistet. Lassen es Bundesländer - so Hessen und Rheinland-Pfalz (Art. 137 Abs. 5 LV Hess., Art. 49 Abs. 5 LV RhPf.) - in ihren Verfassungen bei einer derart "einheitlichen Finanzgarantie" bewenden, kann die Erfüllung des kommunalen Anspruchs auf eine ausreichende Finanzausstattung etwa durch Regelungen des Finanzausgleichsgesetzes erfolgen. Daneben gibt es keine separate Rechtspflicht des Landes zur Kostendeckung bei landesgesetzlichen Aufgabenverlagerungen auf die Kommunen.

 

2. Landesverfassungsrechtliches Konnexitätsprinzip

In einer wesentlich günstigeren Position befinden sich Gemeinden und Kreise, wenn das Landesverfassungsrecht über die Garantie einer angemessenen kommunalen Finanzausstattung hinaus ein spezifisches Konnexitätsprinzip statuiert, wie es mustergültig die Verfassung von Sachsen-Anhalt tut. Es heißt hier in Art. 87 Abs. 3 der Verfassung: "Den Kommunen können durch Gesetz Pflichtaufgaben zur Erfüllung in eigener Verantwortung zugewiesen und staatliche Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung übertragen werden". Dann folgt das Entscheidende: "Dabei ist gleichzeitig die Deckung der Kosten zu regeln. Führt die Aufgabenwahrnehmung zu einer Mehrbelastung der Kommunen, ist ein angemessener Ausgleich zu schaffen" . Diese Konnexitätsregelung, die sich ganz ähnlich auch in Baden-Württemberg (Art. 71 Abs. 3 LV BW), Sachsen (Art. 85 Abs. 1 und 2 LV Sachs.) und Thüringen (Art. 93 Abs. 1 Satz 2 LV Thür.) findet, geht ersichtlich von der Idee aus, daß es sich bei der vorhandenen aufgabenorientierten Finanzausstattung um ein austariertes System handelt. Eine staatliche Zuordnung neuer Aufgaben oder Erweiterung bestehender Aufgaben, die ohne staatlichen Ausgleich des kommunalen Ausgabenmehrbedarfs erfolgte, würde in dieses austarierte, durch eigene kommunale Einnahmen und staatliche Finanzzuweisungen gesicherte System eingreifen. Die Folge wäre eine Strukturverschiebung zu Lasten der eigentlichen Selbstverwaltungsangelegenheiten. Soll es bei der Balance bleiben, reagiert die Rechtsordnung sinnvollerweise mit einem finanzverfassungsrechtlichen Konnexitätsprinzip als variablem Systemelement. Den Kommunen dürfen danach vom Land zwar neue Aufgaben übertragen werden, jedoch nicht "einfach" zu Lasten der freien Spitze, sondern nur bei einer entsprechenden Kostendeckung. Das Konnexitätsprinzip zielt also darauf, eine Aufgabenkreation zu Lasten fremder Kassen zu unterbinden und ist ein verfassungsrechtliches Sicherungsinstrument zugunsten der kommunalen Ebene, das überaus ernst zu nehmen ist. Dieses Konnexitätsprinzip, das verhindern will, daß das jeweilige Land die Kommunen mit neuen Aufgaben belastet, um sich selbst Kosten zu ersparen, ist, wie erwähnt, am klarsten und stringentesten ausgeformt in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen. Es findet sich aber auch, etwas weniger deutlich formuliert, aber im Kern gleichbedeutend, in den Verfassungen von Brandenburg (Art. 97 Abs. 3 LV Bbg.), Mecklenburg-Vorpommern (Art. 72 Abs. 3 LV MecklV), Niedersachsen (Art. 57 Abs. 4 LV Nds.) und Nordrhein-Westfalen (Art. 78 Abs. 3 LV NW). Gänzlich fehlt es, sieht man von den Stadtstaaten ab, nur in Hessen und Rheinland-Pfalz.

Der Rechtsprechung ist es bekanntlich gelungen, die einschlägigen Bestimmungen durch eine nachgerade sinnwidrige Auslegung ihres normativen Gehalts zu entleeren. Diese beruht auf der Behauptung, die Vorschriften seien im Sinne einer einheitlichen Finanzgarantie auszulegen, weswegen es im nur durch das Willkürverbot und das Übermaßverbot begrenzten Ermessen des Gesetzgebers liege, für eine angemessene kommunale Finanzausstattung zu sorgen. Diese Rechtsprechung ist zu korrigieren. Sie nimmt nicht zur Kenntnis, daß das Landesverfassungsrecht durch getrennte Bestimmungen zwischen der fiskalischen Forderung nach einer angemessenen kommunalen Finanzausstattung (Art. 88 LV SachsAnh.; Art. 79 LV NW) und dem gesonderten strukturellen Postulat eines finanziellen Ausgleichs bei Aufgabenzuweisungen (Art. 87 Abs. 3 LV SachsAnh.; Art. 78 Abs. 3 LV NW) unterscheidet.

Dem Kostendeckungsgebot gemäß Art. 87 Abs. 3 LV SachsAnh. sind tatbestandlich sowohl die Übertragung von weisungsfreien Pflichtaufgaben als auch die Zuweisung von staatlichen Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung unterstellt. Die Einbeziehung auch der weisungsfreien Pflichtaufgaben ist in der Tat angezeigt. Denn auch die einfachen Pflichtaufgaben binden Finanzmittel, die den Kommunen für die Erledigung ihrer freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben nicht mehr zur Verfügung stehen. Was die Rechtsfolge angeht, so ist für den Fall der finanziellen Mehrbelastung durch die Aufgabenübertragung verfassungsrechtlich verbindlich bestimmt, daß ein "angemessener Ausgleich" zu schaffen ist. Gesetzgeberisches Ermessen besteht nur hinsichtlich der Art und Weise der Kostendeckung. Die Regelung der Deckung der Kosten muß gleichzeitig mit der Aufgabenübertragung, braucht aber nicht notwendigerweise im aufgabenübertragenden Gesetz zu erfolgen. Es hat aber ein dem Ausmaß der finanziellen Mehrbelastung angemessener - d. h. entsprechender und somit voller - finanzieller Ausgleich zu erfolgen, z. B. durch staatliche Finanzzuwendungen, die Erschließung neuer Abgabenquellen oder die Reduzierung anderweitiger kommunaler Leistungspflichten. Das bedeutet auch: Läßt sich die Finanzierungsfrage nicht lösen, muß die Aufgabenerfindung oder -ausweitung unterbleiben.

Da das Gebot des angemessenen Ausgleichs sich auf die vom Land verursachte Mehrbelastung bezieht, muß der Ausgleich ohne Rücksicht auf die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen erfolgen. Das Land kann sich also nicht etwa unter Hinweis auf eine eventuell nach wie vor gute Finanzausstattung der Kommunen seiner Ausgleichspflicht entziehen. Für Art. 71 Abs. 3 Satz 3 LV BW ist in diesem Sinne verfassungsgerichtlich festgestellt worden, daß er einen finanziellen Ausgleich ohne Rücksicht auf die Gesamtleistungsfähigkeit der Kommunen gewähre. Denn der rechtliche Grund des Konnexitätsprinzips liege darin, daß das Land die Kommune durch die Übertragung von Aufgaben belaste und sich selbst mittels dieser Aufgabenübertragung von eigenen Kosten entlaste. Dem ist nichts hinzuzufügen. Der vom Land zu erbringende finanzielle Ausgleich umfaßt im übrigen sowohl die Zweckausgaben wie die Personal- und Sachkosten. Es ist im Prinzip nichts dagegen einzuwenden, wenn die gebotene Kostendeckung im Finanzausgleichsgesetz vorgenommen wird. Allerdings muß der tatsächlich erfolgte Ausgleich verifizierbar sein, d. h. nach Art und Höhe klar erkennbar und nachprüfbar ausgewiesen werden.

An diesen Maßstäben ist auch die Kostendeckung für die im Zuge der Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs auf die Städte und Kreise zukommenden Aufgaben zu messen, in den alten wie in den neuen Bundesländern. Es handelt sich hier um eine echte Aufgabenverlagerung nach unten. Für die den Kommunen hier als Pflichtaufgabe neu auferlegten Aufgaben und Belastungen durch Nahverkehrsplanung, Investitionen und Betriebskosten ist durchweg landesverfassungsrechtlich zwingend - wenn auch nicht immer mit der in Art. 87 Abs. 3 LV SachsAnh. oder Art. 71 Abs. 3 LV BW vorhandenen Deutlichkeit - ein materieller Ausgleich vorgeschrieben. Dieser Ausgleich kann auch keineswegs unter einen schlichten Haushaltsvorbehalt gestellt werden. Was die Kindertageseinrichtungen nicht nur der neuen Bundesländer angeht, so hängt die Verantwortung des jeweiligen Landes für einen Kostenausgleich u. a. von der Beantwortung der Frage ab, inwieweit der Landesgesetzgeber mit der Garantie eines Rechtsanspruchs auf Tagesbetreuung bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres über den bundesgesetzlich garantierten Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz hinausgeht.

 

 

VII. Zusammenfassung

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß das Verfassungsrecht der Länder weitreichende Vorkehrungen gegenüber einer Erosion der kommunalen Finanzen durch landesgesetzliche Aufgabenübertragungen auf die Kommunen trifft. Es hängt zunächst von den konkret beteiligten politischen Akteuren und letztlich von den Gerichten ab, ob die verfassungsrechtlichen Sicherungen tatsächlich greifen. Verfassungsrechtlich weniger abgesichert ist dagegen der Finanzstatus der Kommunen gegenüber Aufgabenzuweisungen des Bundes. Um so wichtiger ist daher die Abwehr unzulässiger Aufgabenübertragungen selbst. Für den strikten Ausnahmefall der zulässigen unmittelbaren Aufgabenübertragung durch den Bund versucht man heute zunehmend, das landesverfassungsrechtliche Konnexitätsprinzip fruchtbar zu machen; zum Teil wird erwogen, die Haftung der Länder daran zu knüpfen, daß sie im Bundesrat mit darüber entscheiden, ob sie selbst oder die Kommunen belastet werden. Derartige Argumentationsversuche erscheinen wenig aussichtsreich. Für den Fall der bundesgesetzlichen Aufgabenzuweisung an Kommunen bleibt es daher de constitutione lata zunächst bei einem in den allgemeinen Anspruch auf eine insgesamt ausreichende Finanzausstattung eingebundenen Ausgleichsanspruch an die Länder. Zur Befriedigung dieses Anspruchs müssen die Länder durch die Mechanismen der bundesstaatlichen Finanzverteilung und des Finanzausgleichs in den Stand gesetzt werden, nicht zuletzt durch eine entsprechende Bemessung ihrer Umsatzsteuerbeteiligung, die ja bedarfsorientiert zu erfolgen hat. Gerade die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, daß Änderungen der Beteiligungsquote bei der Umsatzsteuer anläßlich von Aufgaben- und Lastenverlagerungen im Verhältnis von Bund und Ländern - und das heißt auch: Kommunen - sehr wohl praktisch möglich sind. Wird entsprechend den genannten Vorgaben der für Aufgabenzuweisungen des Bundes an die Kommunen entstehende Mehrbedarf bei der
(Neu-)Bemessung der Beteiligungsquote der Länder am Umsatzsteueraufkommen berücksichtigt, verdichtet sich der Ausgleichsanspruch der Kommunen gegenüber den Ländern zum Anspruch auf Zuweisung der hinzugewonnenen Deckungsmittel. Um die Länder in den Stand zu setzen, Ausgleichsansprüchen der Kommunen gerecht zu werden, kann gegebenenfalls auch das Instrument des Mehrbelastungsausgleichs nach Art. 106 Abs. 4 Satz 2 und 3 GG eingesetzt werden. Werden nämlich den Ländern bzw. Kommunen durch Bundesgesetz zusätzliche Aufgaben auferlegt, so kann nach dieser Vorschrift die dadurch bedingte Mehrbelastung an Stelle einer Revision der Umsatzsteueranteile von Bund und Ländern durch Zuweisungen des Bundes an die Länder ausgeglichen werden, wenn die Mehrbelastung auf einen kurzen Zeitraum begrenzt ist. Der Einsatz dieses Instruments kann je nach den Umständen zur Pflicht werden.

Der nach diesen Überlegungen jedenfalls greifende Anspruch einer Kommune auf ausreichende Finanzausstattung wird als verletzt angesehen, wenn die jeweilige freie Spitze zur Erfüllung der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben weniger als 5 bis 10 Prozent der insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel beträgt. Hiermit scheint in der Tat eine äußerste Grenze bezeichnet zu sein. Das gilt auch, wenn man berücksichtigt, daß der Anspruch nur im Zusammenhang mit den legitimen Finanzbedürfnissen des Bundes und der Länder gesehen werden kann.

Abschließend sei darauf hingewiesen, daß eine kraftvolle Selbstverwaltung sowohl auf der Ebene der Gemeinden als auch auf derjenigen der Kreise über die behandelten Absicherungen der kommunalen Finanzen hinaus eine ins Gewicht fallende Finanzierungsquote aus eigenen, möglichst eigenbestimmten Einnahmen erfordert. Nur dann ist gewährleistet, daß die Kommunen nicht der Gefahr einer "durchgängigen finanzwirtschaftlichen Aufgabensteuerung durch den Staat" ausgesetzt sind. Deshalb bleibt das Thema der Beteiligung der Kommunen an einer großen Wachstumssteuer trotz der jüngsten Rückschläge auf der Tagesordnung. Vor allem die Kreise haben hier einen Nachholbedarf. Die nach wie vor befürwortete Verlagerung von Zuständigkeiten und Entscheidungen nach unten, auf die kommunale Ebene, kann die erhofften Vorteile nur bringen, wenn sie mit einer entsprechenden finanziellen Eigenständigkeit gekoppelt wird.