Professor Dr. Rudolf Wendt

Vortrag:

 

Finanzierungsverantwortung für gesetzgeberisch veranlaßte kommunale Aufgaben

 

Herr Ministerpräsident,

Herr Landtagspräsident,

Herr Vorsitzender,

meine Damen und Herren,

 

 

ich möchte über das Thema der "Finanzierungsverantwortung für vom Gesetzgeber veranlaßte kommunale Aufgaben" sprechen. Es liegt auf der Hand, daß dieses Thema mit dem soeben von Herrn Ministerpräsidenten Dr. Höppner behandelten eng verwandt. Dennoch möchte ich vor allzu schnellen Folgerungen aus der allgemeinen Erkenntnis der Garantenstellung des Landes für diese schon speziellere Fragestellung warnen. Antworten auf die gestellte Frage können erst von einer sorgfältigen Analyse der bundes- und landesrechtlichen Verfassungsrechtslage erwartet werden.

 

Die mir heute gestellte Frage ist im übrigen keineswegs so speziell und technisch, wie das zunächst scheinen könnte. Deshalb kann man sie auch nicht getrost einfach den Spezialisten des Finanz- oder Kommunalrechts überlassen. Wer in der jüngsten Zeit nur ein wenig die politische und rechtliche Diskussion im kommunalen Raum verfolgt hat, weiß, daß das Thema der finanziellen Verantwortung des Gesetzgebers für von ihm veranlaßte kommunale Aufgaben heute zu den beherrschenden Themen gehört. Zunächst waren es eher die Länder, die sich dagegen wehrten, daß der Bundesgesetzgeber ihnen kostenträchtige Aufgaben zuwies und ihre ohnehin angespannten Haushalte in Bedrängnis brachte. Heute sind es vor allem die Kommunen, die nicht länger hinnehmen wollen, daß ihnen Aufgaben übertragen werden, deren Finanzierung nicht gesichert ist. Dabei macht es für sie keinen großen Unterschied, ob es der Bundes- oder der Landesgesetzgeber ist, der ihnen die Aufgaben und Ausgaben aufbürdet. Keinen großen Unterschied macht es für die Kommunen auch, ob die Aufgabenzuweisungen primär der Entlastung der öffentlichen Haushalte anderer Ebenen dienen oder ob es sich um echte Ausweitungen des Leistungsangebots der öffentlichen Hand gegenüber dem Bürger handelt. Als Beispiel für den ersten Fall sei der im letzten Jahr unternommene Versuch des Bundes genannt, die Arbeitslosenhilfe auf dem Wege einer entsprechenden Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes auf zwei Jahre zu begrenzen - mit der Folge, daß anschließend Sozialhilfe hätte gezahlt werden müssen, die im Unterschied zur Arbeitslosenhilfe bekanntermaßen nicht aus dem Bundesportemonnaie, sondern von den Kreisen und kreisfreien Städten zu zahlen ist. Nicht lediglich beim Versuch einer Lastenübertragung ist es geblieben bei der im Rahmen der Bahnstrukturreform gesetzlich beschlossenen Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs. Die neuen finanziellen Lasten, die hiernach auf die Kommunen zukommen, sind noch nicht abzuschätzen. Bundesfinanzhilfen nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz sind nur bis Ende 1996 gesichert. Für die danach eintretenden Kürzungen werden die Länder einen Ausgleich erhalten. Die Länder können die Mittel jedoch nach eigenem Ermessen für Betriebskosten oder für Investitionen einsetzen.

 

Ein besonders spektakuläres Beispiel für den Fall einer Aufgabenübertragung, die nicht nur eine - aus mehr oder weniger honorigen Motiven gespeiste - Aufgaben- und Ausgabenverlagerung, sondern eine echte Aufgabenausweitung zum Gegenstand hat, stellt die gesetzliche Verankerung eines Rechtsanspruchs des Bürgers auf einen Kindergartenplatz dar, für dessen Realisierung die Kommunen Investitionen in Höhe von wenigstens 21 Milliarden DM aufbringen werden müssen. Nun, gleichviel ob es sich um gesetzliche Aufgabenverlagerungen, die Kreation neuer oder die Ausweitung bisher schon wahrgenommener Aufgaben handelt, gleichviel auch, ob die Übertragung von Aufgaben aus plausiblen oder weniger plausiblen Gründen erfolgt: Die Kommunen wehren sich zunehmend gegen die Übertragung, wenn die Finanzierung nicht gesichert ist. Sie schicken sich an, Klage bei Bundesverfassungsgericht zu erheben. Kreise, Städte und Gemeinden sind sich einig: Wer ihnen Aufgaben übertrage, finden sie, müsse voll und ganz für diese Aufgaben bezahlen.

 

Wie Ihnen bekannt ist, stützen sich die Kommunen u.a. auf die Ergebnisse eines Rechtsgutachtens, das die hessischen kommunalen Spitzenverbände in Auftrag gegeben haben. Danach ist u.a. die unmittelbare Übertragung von Sozialhilfeaufgaben durch den Bund auf die Städte und Landkreise schon deshalb verfassungswidrig, weil in den Verwaltungsraum der Länder eingegriffen wird. Es wird geltend gemacht, der Bund dürfe eigentlich nur den Ländern Aufgaben übertragen. Von prominenter Seite wird den Kommunen zudem bescheinigt, daß die bundesrechtliche Einführung eines Rechtsanspruchs auf den Kindergartenplatz schon aus kompetenzrechtlichen Gründen verfassungswidrig sei. Bei diesen Terraingewinnen lassen es die Kommunen aber nicht bewenden. Selbst für den Fall bundesrechtlich veranlaßter Ausgaben rügen sie eine Mitverantwortung der Bundesländer für die beanstandeten Fehlentwicklungen, ja zeihen sie der heimlichen Kollusion. Sie halten ihnen vor, die Durchgriffe des Bundes auf die Kommunen zu tolerieren, weil sie befürchteten, sonst selber für die Finanzierung herangezogen zu werden. Ob dies für die Kommunen ein taugliches Mittel ist, die Bundesländer auf ihre Seite zu bringen, steht dahin. Nicht zuletzt werden - so vom Städtetag - zur Absicherung des Finanzstatus der Kommunen Änderungen des Grundgesetzes und der Landesverfassungen verlangt. Um ein für allemal Remedur zu schaffen, müsse, fordert man, Art. 104 a GG künftig im Verhältnis von Bund zu Ländern und Kommunen das Prinzip eindeutig festschreiben, daß Ausgaben grundsätzlich derjenige zu tragen habe, der sie durch ein Gesetz verursacht habe.

 

Sie sehen, die Zeichen stehen aus Sturm. Die Klärung der aufgeworfenen Fragen ist für die Kommunen um so dringlicher, als weitere Bedrohungen des gegenwärtigen Finanzstatus der Gemeinden hinzukommen. Bei der Umstellung des Kindergeldes von einer Bundesleistung auf eine mit der Einkommensteuer zu verrechnende Leistung erwartet man bei den Kommunen Steuerausfälle von rund vier Milliarden DM beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer. Zwar wird der Bund den Ländern zum Ausgleich einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer zugestehen. Doch sehen die Kommunen damit noch lange nicht garantiert, daß sie ihrerseits von den Ländern für die Ausfälle entschädigt werden - ungeachtet aller Beteuerungen der Länder, die kommunalen Belastungen "fair und voll" auszugleichen. Sie hegen Zweifel an der Weitergabe der vom Bund zugestandenen Mittel, ja an der Rolle der Länder als fürsorgende, selbstlose Treuhänder kommunaler Finanzmittel überhaupt. Wie sonst, fragen sie, sei es zu erklären, daß die Länder sich im Vermittlungsverfahren über das Jahressteuergesetz dem einfachsten und sichersten Weg zur Kompensation der bei den Kommunen durch das Gesetz hervorgerufenen Steuerausfälle verweigert hätten? Immerhin war ja die Bundesregierung im Einvernehmen mit den kommunalen Spitzenverbänden bereit gewesen, einen Ausgleich durch Anhebung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer von 15 auf 16 Prozent zu schaffen.

 

Sie können schon an Hand dieses einen weiteren Beispiels erkennen, wie vielfältig die Mechanismen sind, über die nach und nach eine Erosion der finanziellen Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung herbeigeführt werden kann. Doch bleiben wir bei unserem eigentlichen Thema und den Beispielen, die ich zur Illustration dieses Themas geschildert habe - und die sich noch ohne weiteres vermehren ließen. Ihnen allen ist gemeinsam, daß Bund oder Land die kommunalen Gebietskörperschaften per Gesetz zu Aufgaben- und Kostenträgern erklären, ohne einen gesicherten Kostenausgleich bei den Sachausgaben und Verwaltungsausgaben vorzusehen - sei es einen vollständigen, sei es einen teilweisen. Dadurch entsteht eine Diskrepanz zwischen Ausgabenveranlassung einerseits und Ausgabenverantwortung andererseits. Verantwortlich im Sinne der Urheberschaft für die Aufgabenerfindung und -zuordnung oder Aufgabenausweitung ist der Bund oder das Land. Auch für die Entstehung der neuen Aufgabenlast ist der Bund oder das Land jedenfalls ursächlich im Sinne der sine-qua-non-Kausalitätsformel. Verantwortlich im Rechtssinne für die Aufgabenerledigung und die Kostentragung sind dagegen die Kommunen, die sich ihrer Zuständigkeit nicht entziehen können - gleichgültig, ob sie diese gewollt haben oder nicht. Es fragt sich, ob sich in dieser Diskrepanz nicht ein kardinaler Strukturfehler unserer finanzverfassungsrechtlichen und staatswirtschaftlichen Ordnung offentbart, der nicht nur zur kompetenzmäßigen Zersplitterung eines einheitlichen Aufgaben- und Verantwortungsbereichs, sondern zu einem gesamtökonomisch unwirtschaftlichen Einsatz der öffentlichen Mittel bzw. zu einer Überforderung der öffentlichen Finanzwirtschaft führt. Immerhin liegt auf der Hand, daß sich zu Lasten fremder Kassen neue Aufgaben allemal leichter kreieren lassen als zu Lasten des eigenen Haushalts.

 

Vielleicht war der Verfassungsgesetzgeber in Wahrheit aber doch klüger, als es zunächst scheinen mag, vieleicht hat er doch Vorkehrungen gegen ein unkontrolliertes Auseinanderdriften von Aufgabenerfindung und Lastentragung getroffen? Die Themenstellung spitzt sich also auf die Frage zu, ob und inwieweit der zuständige Gesetzgeber Aufgaben festlegen und einem anderen Hoheitsträger zuweisen darf, ohne zugleich eine Regelung zum Ausgleich des Ausgabenmehrbedarfs vorzusehen. Die Brisanz dieser Frage braucht im Blick auf die Folgen der permanenten Verlagerung von Aufgaben auf die kommunale Ebene ohne finanziellen Ausgleich nicht besonders betont zu werden: Freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben müssen aufgegeben werden, um finanzielle Mittel für die Erledigung der neuen Pflicht-Aufgabe zu gewinnen, die verfügbaren Finanzmittel bleiben immer weiter hinter den für die Erfüllung der Pflichtaufgaben notwendigen Mitteln zurück, die wachsende Verschuldung führt zu einem stetig größer werdenden Rückstand in der Leistungsfähigkeit. Hiermit wird im übrigen kein Schreckensszenario entwickelt, daß von der kommunalen Wirklichkeit weit entfernt läge. Im Gegenteil! Empirische Untersuchungen belegen längst, daß sich die Schere zwischen den Kosten für die Wahrnehmung von Pflichtaufgaben und den aus eigenen Einnahmen und Landeszuweisungen immer weiter öffnet.

 

Ich möchte an dieser Stelle nicht schon das Ergebnis meiner Überlegungen vorwegnehmen, aber eines läßt sich wohl jetzt schon sagen: Es ist schwer vorstellbar, daß die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, die für Gemeinden wie Kreise gilt, gegenüber der permanenten Aufgaben- und Ausgabenverlagerung auf die Kommunen keine Schranken aufrichtete. Immerhin beinhaltet die verfassungsrechtliche Gewährleistung von Gemeinden und Kreisen nicht nur eine Aufgabengarantie, sondern auch eine Finanzgarantie. Auch auf dieser Ebene unserer Verwaltungsordnung gilt, daß die von Verfassungs wegen geschaffenen Kompetenzträger finanziell in den Stand gesetzt werden müssen, die ihnen zukommenden Aufgaben auch wahrzunehmen. Läßt sich die Frage der Finanzierung nicht lösen, könnte es daher durchaus sein, daß eine gesetzliche Aufgabenbegründung und -zuordnung auch einmal zu unterbleiben hat. Der gesetzliche Anspruch auf einen Kindergartenplatz etwa ist verfassungsrechtlich nicht gefordert, ebensowenig wie die Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen über die Sozialhilfe.

 

Zur kommunalen Finanzhoheit, die ein Essentiale des Selbstverwaltungsrechts gemäß Art. 28 Abs. 2 GG ist, gehört zum einen eine eigenverantwortliche Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft, zum anderen, wie gesagt, das Recht auf eine angemessene, d.h. aufgabengerechte Finanzausstattung. Gerade im Zusammenhang mit unserer Fragestellung wir daraus gefolgert:

a) Das Selbstverwaltungsrecht ist entgegen einer in der Judikatur vertretenen Auffassung nicht erst verletzt, wenn der Zustand einer "finanziellen Strangulation oder Erdrosselung" von Kommunen erreicht wird.

b) Da die Selbstverwaltungsgarantie unstreitig einen Bestand an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben gewährleistet, muß die finanzielle Mindestausstattung so bemessen sein, daß die Kommunen neben den pflichtigen und zugewiesenen Aufgaben auch noch freiwillige, selbstgewählte Angelegenheiten erfüllen können.

 

Bevor ich vor diesem Hintergrund im einzelnen prüfe, ob aus der Bindung von Bund und Land an die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG folgt, daß bei der Zuweisung von Aufgaben an die Kommunen zugleich Regelungen zum Ausgleich des Ausgabenmehrbedarfs getroffen werden müssen, möchte ich eines klarstellen: Über diese Frage der Notwendigkeit eines finanziellen Ausgleichs kann sinnvollerweise nur diskutiert werden, wenn die Aufgabenübertragung als solche verfassungsrechtlich zulässig ist. Diese Frage ist vorrangig zu klären. Sie ist für die landesgesetzliche und bundesgesetzliche Aufgabenzuweisung unterschiedlich zu beantworten. Was den Landesgesetzgeber angeht, so ist er von Haus aus für das Kommunalrecht zuständig und verfügt daher über eine bedeutsame Einschätzungsprärogative. Landesrechtliche Zuweisungen von Aufgaben an die Kommunen werden daher nur in Ausnahmefällen angreifbar sein.

 

Anders verhält es sich bei Aufgabenzuweisungen durch den Bundesgesetzgeber. Die Kommunen sind in unserem zweistufigen föderativen Staatsaufbau Teil der Länder. Angesichts der Trennung der Verfassungsräume von Bund und Ländern kommt grundsätzlich eine direkte bundesgesetzliche Aufgabenübertragung auf die Kommunen nicht in Betracht. Art. 84 GG erklärt grundsätzlich auch bei der Ausführung der Bundesgesetze die Länder für zuständig zur Einrichtung von Behörden. Auch in diesem Falle haben wegen ihrer Verwaltungsverantwortung primär die Länder darüber zu befinden, ob die Ausführung von Bundesgesetzen durch Landes- oder durch Kommunalbehörden erfolgen soll. Nicht nur die Bestimmung der Art der Aufgabe - Auftragsangelegenheit, pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit, Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung -, auch die Bestimmung der Verwaltungsebene ist grundsätzlich Sache der Länder, zumal sich z.B. Auswirkungen auf den kommunalen Finanzausgleich und die Höhe der Kreisumlage ergeben. Daher ist es richtig, wenn das Bundesverfassungsgericht eine Einschaltung der Gemeinden und Gemeindeverbände in den Vollzug der Bundesgesetze durch den Bundesgesetzgeber nur unter besonderen Voraussetzungen für zulässig erklärt, nämlich nur dann, wenn es sich um eine punktuelle Annexregelung zu einer zur Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers gehörenden materiellen Regelung handelt und wenn diese Annexregelung für den wirksamen Vollzug der materiellen Bestimmung notwendig ist. Dies gilt um so mehr, als dann, wenn der Bund selbst Gemeinden und Kreise zur Erledigung einer Sachaufgabe für zuständig erklärt, er in Wahrheit nicht nur die Errichtung der Behörden regelt, sondern eine komplette Verwaltungsebene fixiert und diese als für die Gesetzesausführung zuständig erklärt. Mit Art. 84 Abs. 1 GG ist ein solches bundesrechtliches Vorgehen nur wegen des extrem weiten Verständnisses der in der Verfassungsnorm getroffenen Ausnahmeregelung vereinbar. Der Bund darf nicht praktisch voraussetzungslos auf die kommunale Ebene "durchgreifen". Es ist auch nicht so, daß die Länder ihre Verwaltungsverantwortung für die ordnungsgemäße Ausführung von Aufgaben verlören, wenn die Kommunen mit dem Gesetzesvollzug betraut sind.

In jüngerer Zeit wird im Schrifttum immer stärker in Zweifel gezogen, daß die unmittelbare Übertragung der Sozialhilfeaufgaben durch den Bund auf die Städte und Kreise den genannten Maßstäben genügt. Auch sonst ist der Eindruck verbreitet, daß in der Staatspraxis die Durchgriffe des Bundes auf die Kommunen weit über das von Rechtsprechung und Schrifttum für zulässsig gehaltene Maß hinausgehen. Ob dies zutrifft, müßte durch entsprechende Einzelanalysen geklärt werden. Wenn sich dabei der Eindruck bestätigte, daß der Bund in der Vergangenheit in weit stärkerem Umfang als erlaubt den Gemeinden und Kreisen kostenintensive Aufgaben zugewiesen hätte, stünde damit nicht nur die Verfassungswidrigkeit dieser Inpflichtnahmen, sondern zugleich fest, daß die Länder es versäumt hätten, gegenüber diesen Durchbrechungen der Prinzipien unseres Bundesstaates Widerstand zu leisten und sich schützend vor ihre Kommunen zu stellen. Eine entsprechende Wachsamkeit der Länder in der Zukunft könnte dazu beitragen, die Dimension des behandelten Problems deutlich zu verringern: Verhinderte oder zu Fall gebrachte Aufgabenübertragungen des Bundes verursachen keine Kosten!

 

Für die verbleibenden Fälle einer zulässigen Übertragung von neuen pflichtigen Selbst- oder Fremdverwaltungsaufgaben durch den Bund auf Gemeinden und Kreise stellt sich natürlich die Frage einer finanziellen Ausgleichsverpflichtung des Bundes in unverminderter Schärfe. Die Antwort ist nicht schon in der Selbstverwaltungsgarantie selbst, sondern in den konkretisierenden Bestimmungen der Finanzverfassung zu suchen. Der hier einschlägige Art. 104 a Abs. 1 GG kombiniert die Finanzierungslast mit der Aufgabenzuständigkeit, d.h. der verfassungsrechtlich zugewiesenen Verwaltungszuständigkeit aus Art. 83 ff. GG, nicht der Gesetzgebungszuständigkeit. Diese Lastenzuordnung gründet auf der Erwägung, daß der Partner des föderativen Gefüges, der für den Vollzug einer Aufgabe verantwortlich ist und damit die Funktion wahrnimmt, die unmittelbar die Kosten verursacht, auch für die Finanzierung dieser Aufgabe verantwortlich sein soll. Das so verstandene Konnexitätsprinzip basiert mithin wesentlich auf der Annahme, daß der Verwaltungsträger im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung über hinreichend große Spielräume verfügt, die ihm eine mehr oder weniger sparsame Tätigkeit ermöglichen. Er soll ebenso die Früchte sparsamen Verwaltungshandelns ernten, wie die Lasten großzügigen Wirtschaftens tragen. Die für die Verwaltung zuständigen Länder tragen nach dieser Grundregel die Finanzverantwortung auch für bundesgesetzlich zwingend veranlaßte Kosten. Der Bund ist nicht berechtigt, geschweige denn verpflichtet, die von ihm bei den Kommunen veranlaßten Kosten zu übernehmen oder auszugleichen; nicht nur staatsrechtlich, sondern auch finanzverfassungsrechtlich sind die Kommunen den Ländern zuzurechnen.

 

Angesichts der wachsenden Finanznot der Kommunen wird neuerdings versucht, Art. 104 a GG "umzudeuten", indem die Verklammerung der Art. 83 ff. mit Art. 104 a GG gelöst wird und Art. 104 a GG so gedeutet wird, daß die bundesgesetzliche Kostenveranlassung - unbeschadet der Art. 83 ff. GG - zur Kostenübernahme des Bundes führen soll. Damit dürften allerdings die Grenzen der Verfassungsinterpretation überschritten sein; diese ist immer auch historisch bestimmt; und immerhin stammt die gegenwärtige Finanzverfassung erst aus dem Jahre 1969. Eine Ausnahme gilt für Bundesauftragsangelegenheiten, für die der Bund nach Art. 104 a Abs. 2 GG die Zweckkosten (aber nicht die Verwaltungsausgaben) trägt. Das gilt aber nur für die Bundesauftragsverwaltung im Sinne von Art. 85 Abs. 1 GG. Nun wird vermehrt versucht, jedenfalls in Anlehnung an diese Ausnahmeregelung Zweckkosten, die den Kommunen entstehen, dem Bund schon dann zuzuweisen, wenn der Aufgabenvollzug pflichtig ist und wegen weitgehender gesetzlicher Determination des Normprogramms keine nennswerten Gestaltungsspielräume verbleiben - das soll dann etwa auch beim Vollzug des Bundessozialhilfegesetzes durch die Kommunen der Fall sein. Derartige Interpretationsversuche sind nach der gegebenen Verfassungsrechtslage zurückzuweisen: sie sind mit dem Wortlaut, der Systematik (s. auch Art. 104 a Abs. 3 GG) und dem Sinn und Zweck des Art. 104 a GG unvereinbar. Auch in Fällen wie dem des Bundessozialhilfegesetzes fehlt es an dem Aufsichtsinstrumentarium des Bundes und der damit verbundenen weitgehenden exekutiven Steuerungsbefugnis der Bundesbehörden, die es rechtfertigen, das Konnexitätsprinzip, so wie es heute in Art. 104 a Abs. 1 GG normiert ist, zu durchbrechen.

 

Wie Sie wissen, knüpft sich an diesen Befund, nämlich die mangelnde Ableitbarkeit eine Aufwandsausgleichsanspruchs der Kommunen gegenüber dem Bund aus dem heutigen Art. 104 a GG, verbreitet die Forderung nach einer Änderung dieser Vorschrift. Art. 104 a GG wird für überholungsbedürftig erklärt. Es wird geltend gemacht, daß die entscheidende Prämisse der Vorschrift in vielen Fällen nicht mehr zutreffe: nämlich die Existenz einer materiellen Verwaltungsverantwortung, auf deren Grundlage die im Ermessenswege ergehende Verwaltungsentscheidung wesentlichen Einfluß auf die Höhe der entstehenden Ausgaben habe. Angesichts der erreichten Normierungstiefe von Gesetzen sei der Normvollzug durch die Verwaltung heute häufig derart weitgehend determiniert, daß im wesentlichen bereits der Gesetzgeber über die Höhe der Ausgaben entscheide, die mit der Erfüllung einer Staatsaufgabe verbunden sei. Die geforderte Novellierung des Art. 104 a GG soll daher etwa vorsehen, daß der Bund dann die Zweckausgaben für die Wahrnehmung von Aufgaben durch die Länder und kommunalen Gebietskörperschaften trägt, wenn für diese kein nennenswerter Ausführungsspielraum besteht, das Ausgabevolumen also durch Bundesgesetz vorgegeben ist. Nach weitergehenden Vorstellungen soll die Novellierung die Kostenlast für die Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder inklusive Kommunen sogar grundsätzlich dem Bund zuordnen, es sei denn, den Ländern bzw. Kommunen bleibe bei der Gesetzesausfüllung ein Spielraum.

 

Mir scheint, daß jedenfalls dieser zweite, weitergehende Vorschlag problematisch ist. Eine prinzipielle Verlagerung der Finanzierungsverantwortung ist m.E. nicht der richtige Weg. Sie basiert auf fragwürdigen Annahmen. Es ist zu bedenken, daß es sehr wohl auch heute noch die für den Vollzug verantwortliche Körperschaft ist, die unmittelbar die Kosten der Aufgabenerfüllung verursacht. Ist der Spielraum der Verwaltung wirklich durchweg so gering, daß regelmäßig von einer materiellen Verwaltungsverantwortung und einem nennenswerten Einfluß der Verwaltung auf die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Aufgabenerfüllung keine Rede sein kann? Beobachten wir nicht allzu häufig das Phänomen einer Verantwortungsscheu des Gesetzgebers, der liebend gerne Entscheidungen von weittragender Bedeutung der Verwaltung aufbürdet? Diskutieren wir nicht selbst auf dem Gebiet des Steuerrechts, einem der durchnormiertesten und ermessensfeindlichsten Rechtsgebiete überhaupt, über eklatante Unterschiedlichkeiten des Verwaltungsvollzuges? Um wieviel mehr muß es diese Unterschiedlichkeiten in der Leistungsverwaltung, die uns hier interessiert, geben! Wir setzen doch im System unseres Wettbewerbsföderalismus auch gerade auf diese Unterschiedlichkeiten und werten sie auch als Ausdruck eines Wettbewerbs um den ökonomischeren Einsatz der Ressourcen! Kann es im übrigen gerade Sache der Verwaltung sein, die Verwaltungsaufgabe als regelmäßig "en quelque facon nulle" zu bezeichnen? Der Grundgesetzgeber jedenfalls veranschlagt die Aufgabe der Exekutive hoch. Gegen die exzessiven Gesetzgebungskompetenzen des Bundes setzt er die grundsätzliche Verwaltungskompetenz der Länder, gerade auch für den Fall der Ausführung der Bundesgesetze. Seit jeher wird diese Zuordnung der Verwaltungshoheit an die Länder für so bedeutsam erachtet, daß man sie als geeignet ansieht, das Übergewicht des Bundes auf dem Feld der Gesetzgebung auszutarieren und die bundesstaatliche Balance herzustellen.

 

Zu diskutieren ist dagegen über den erstgenannten Vorschlag, nach dem bei einem erwiesenen Fehlen eines eigentlichen Ausführungsspielraums von Ländern oder Kommunen - und das heißt m.E.: im Ausnahmefall - der Bund zur Tragung der Zweckausgaben verpflichtet wird. Auch insoweit sollten wir uns aber kritisch fragen, ob eine solche "Minimalisierung" der Verwaltungsverantwortung nicht im wesentlichen lediglich ein auf bestimmte Geldleistungsgesetze beschränktes Phänomen ist, so daß eine spezifisch hierauf abgestellte Problemlösung ausreichte. Selbst für das Paradebeispiel der Durchführung des Bundessozialhilfegesetzes gilt im übrigen, daß auch die Länder noch eigene Bestimmungskompetenzen über die Höhe der Geldleistungen haben. Bekanntermaßen versucht ja bereits der heutige Art. 104 a Abs. 3 GG den Besonderheiten von Geldleistungsgesetzen, die von den Ländern ausgeführt werden, Rechnung zu tragen, indem er eine fakultative Kostentragungspflicht des Bundes vorsieht. Die Revisionsbedürftigkeit jedenfalls dieser Regelung ist heute nahezu Allgemeingut. Bei allen Reformüberlegungen ist zu berücksichtigen, daß es verfassungspolitisch kaum erwünscht sein kann, selbst eine grundgesetzlich abgesegnete Dotationswirtschaft des Bundes auf breiter Front zu etablieren. Es fragt sich, ob Länder und Kommunen die Kraft hätten, sich gegenüber Kompetenzübergriffen des Bundes zu wehren, die - wenn sie nur weit genug gingen - zur Folge hätten, daß die Ausgabenverantwortung für die entsprechenden Aufgaben von Ländern und Kommunen auf den Bund überginge. Die Erfahrungen, die zur Finanzreform 1969 geführt haben, lehren das Gegenteil. Ich finde, die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaft der Länder ist ein hohes Gut, das sich zu verteidigen lohnt; sie macht allerdings eine aufgabengerechte Finanzausstattung der Länder unverzichtbar. Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß eine hinreichende parlamentarische Kontrolle nur gegenüber derjenigen Verwaltung zur Geltung kommen kann, die jedenfalls grundsätzlich sowohl den Aufgabenvollzug als auch die Bereitstellung der dafür erforderlichen Mittel zu verantworten hat. Insgesamt bleibt zu bedenken, daß jede stärkere Heranziehung des Bundes zur Finanzierung der von den Ländern oder Kommunen durchgeführten Aufgaben zu einer Verbesserung der Finanzausstattung des Bundes führen müßte; das wiederum würde das Gewicht der Länder im Bundesstaat verringern: Wer zahlt, schafft an!

 

Es läßt sich daher feststellen, daß der vorgeschlagene Schritt zur weiteren Unitarisierung unseres Bundesstaates eine Fülle von Fragen aufwirft. Unvermeidlich wird er meiner Meinung nach erst, wenn erwiesen ist, daß die regulären Mechanismen der Finanzverteilung und des Finanzausgleichs des Bundesstaates keine angemessene Finanzausstattung der Gebietskörperschaften zu sichern vermögen, d.h. eine Finanzausstattung, die auch die vom Bund zugewiesenen Aufgaben zu bewältigen erlaubt. Fertige Antworten zu geben fällt schwer. Deshalb ist es zu begrüßen, daß der Deutsche Juristentag sich im nächsten Jahr ausführlich mit dem Thema beschäftigen wird.

 

 

Kommen wir nun zur Frage der Finanzierungsverantwortung für durch den Landesgesetzgeber veranlaßte kommunale Aufgaben. Zunächst ist hier allgemein hervorzuheben, daß die Inkongruenz zwischen unserem zweistufigen Staatsaufbau und der dreistufigen Verwaltungsgliederung zwangsläufig die Länder gegenüber den Kommunen in eine verfassungsrechtliche Garantenstellung bringt. Diese finanzverfassungsrechtliche Garantenstellung ergibt sich aus dem Grundgesetz als Kehrseite der staatsorganisatorischen Zugehörigkeit der Kommunen zu den Ländern. Die daraus resultierende Finanzverantwortung gegenüber den Kommunen wird durch landesverfassungsrechtliche Vorschriften bestätigt und ausgeformt.

 

Ihre rechtliche Verantwortung für eine ausreichende, aufgabenadäquate kommunale Finanzausstattung im eben beschriebenen Sinne erkennen die Länder durch Vorschriften wie den Art. 88 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt ausdrücklich an . Diesen Verfassungsregelungen geht es zentral um die quantitative Sicherung der kommunalen Finanzausstattung, die durch verfassungsrechtlich garantierte eigene Einnahmen wie Steuern und die Garantie eines Finanzausgleichs gewährleistet wird. Diese landesverfassungsrechtlichen Garantien zur Einnahmehoheit und zum Finanzausgleich beziehen sich nicht auf einzelne kommunale Aufgaben, es geht ihnen auch gar nicht darum, eine Konnexität zwischen bestimmten Aufgaben und den daraus resultierenden Ausgaben mit dem Ergebnis einer entsprechenden Einzelkostendeckung herzustellen. Es geht vielmehr um einen aufgabenunspezifischen Ansatz im Sinne einer Gesamtrechnung. Mittels der verschiedenen Einnahmequellen wird eine für die Aufgabenerfüllung insgesamt ausreichende Finanzausstattung gewährleistet. In den Bundesländern - wie Hessen und Rheinland-Pfalz (Art. 137 Abs. 5 HessLV, Art. 49 Abs. 5 RhPfLV) - deren Verfassungen es bei einer derart "einheitlichen Finanzgarantie" bewenden lassen, kann die Erfüllung des kommunalen Anspruchs etwa durch Regelungen des Finanzausgleichsgesetzes erfolgen. Daneben gibt es keine separate Rechtspflicht des Landes zur Kostendeckung bei Aufgabenverlagerungen auf die Kommunen.

 

In einer wesentlich günstigeren Position befinden sich Gemeinden und Kreise, wenn das Landesverfassungsrecht über die Garantie einer angemessenen kommunalen Finanzausstattung hinaus ein spezifisches Konnexitätsprinzip statuiert, wie es mustergültig die Verfassung von Sachsen-Anhalt tut. Es heißt hier in Art. 87 Abs. 3 der Verfassung: " Den Kommunen können durch Gesetz Pflichtaufgaben zur Erfüllung in eigener Verantwortung zugewiesen und staatliche Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung übertragen werden". Dann folgt das Entscheidende: " Dabei ist gleichzeitig die Deckung der Kosten zu regeln. Führt die Aufgabenwahrnehmung zu einer Mehrbelastung der Kommunen, ist ein angemessener Ausgleich zu schaffen". Diese Konnexitätsregelung , die sich ganz ähnlich auch in Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen findet, geht ersichtlich von der Idee aus, daß es sich bei der vorhandenen aufgabenorientierten Finanzausstattung um ein austariertes System handelt. Eine staatliche Zuordnung neuer Aufgaben oder Erweiterung bestehender Aufgaben, die ohne staatlichen Ausgleich des kommunalen Ausgabenmehrbedarfs erfolgte, würde in dieses austarierte, durch eigenbestimmte kommunale Einnahmen und staatliche Finanzzuweisungen gesicherte System eingreifen. Die Folge wäre eine Strukturverschiebung zu Lasten der eigentlichen Selbstverwaltungsangelegenheiten. Soll es bei der Balance bleiben, reagiert die Rechtsordnung sinnvollerweise mit einem finanzverfassungsrechtlichen Konnexitätsprinzip als variablem Systemelement. Den Kommunen dürfen danach vom Land zwar neue Aufgaben übertragen werden, jedoch nicht "einfach" zu Lasten der freien Spitze, sondern nur bei einer entsprechenden Kostendeckung. Das Konnexitätsprinzip zielt also darauf, eine Aufgabenkreation zu Lasten fremder Kassen zu unterbinden und ist ein verfassungsrechtliches Sicherungsinstrument zugunsten der kommunalen Ebene, das überaus ernst zu nehmen ist. Dieses Konnexitätsprinzip, das verhindern will, daß das jeweilige Land die Kommunen mit neuen Aufgaben belastet, um sich selbst Kosten zu ersparen, ist, wie gesagt, am klarsten und stringentesten ausgeformt in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Thüringen. Es findet sich aber auch, etwas weniger deutlich formuliert, aber im Kern gleichbedeutend, in den Verfassungen von Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Gänzlich fehlt es, sieht man von den Stadtstaaten ab, nur in Hessen und Rheinland-Pfalz.

 

Der Rechtsprechung ist es bekanntlich gelungen, die einschlägigen Bestimmungen durch eine sinnwidrige Auslegung ihres normativen Gehalts zu entleeren. Diese beruht auf der Behauptung, die Vorschriften seien im Sinne einer einheitlichen Finanzgarantie auzulegen, weswegen es im nur durch das Willkürverbot und das Übermaßverbot begrenzten Ermessen des Gesetzgebers liege, für eine angemessene kommunale Finanzausstattung zu sorgen. Diese Rechtsprechung ist zu korrigieren. Sie nimmt nicht zur Kenntnis, daß das Landesverfassungsrecht durch getrennte Bestimmungen zwischen der fiskalischen Forderung nach einer angemessenen kommunalen Finanzausstattung und dem gesonderten strukturellen Postulat nach finanziellem Ausgleich bei Aufgabenzuweisungen unterscheidet.

 

Dem Kostendeckungsgebot gemäß Art. 87 Abs. 3 der Verfassung von Sachsen-Anhalt ist tatbestandlich sowohl die Übertragung von weisungsfreien Pflichtaufgaben als auch die Zuweisung von staatlichen Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung unterstellt. Die Einbeziehung auch der weisungsfreien Pflichtaufgaben ist in der Tat angezeigt. Denn auch die einfachen Pflichtaufgaben binden Finanzmittel, die den Kommunen für die Erledigung ihrer freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben dann nicht mehr zur Verfügung stehen. Was die Rechtsfolge angeht, so ist für den Fall der finanziellen Mehrbelastung durch die Aufgabenübertragung verfassungsrechtlich verbindlich bestimmt, daß ein angemessener Ausgleich zu schaffen ist. Gesetzgeberisches Ermessen besteht nur hinsichtlich der Art und Weise der Kostendeckung. Diese muß nicht im aufgabenübertragenden Gesetz erfolgen. Es hat aber ein dem Ausmaß der finanziellen Mehrbelastung angemessener, d.h. entsprechender, finanzieller Ausgleich zu erfolgen, z.B. durch staatliche Finanzzuweisungen, Erschließung neuer Abgabequellen, Reduzierung anderweitiger kommunaler Leistungspflichten. Das bedeutet auch: Läßt sich die Finanzierungsfrage nicht lösen, muß die Aufgabenerfindung oder -ausweitung unterbleiben.

 

Da das Gebot des angemessenen Ausgleichs sich auf die vom Land verursachte Mehrbelastung bezieht, muß er ohne Rücksicht auf die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen erfolgen. Das Land kann sich also nicht etwa unter Hinweis auf eine eventuell nach wie vor gute Finanzausstattung der Kommunen seiner Ausgleichspflicht entziehen. Für das vergleichbare Gebot der baden-württembergischen Verfassung (Art. 71 Abs. 3 S. 3 LV BW) ist in diesem Sinne verfassungsgerichtlich festgestellt worden, daß es einen finanziellen Ausgleich ohne Rücksicht auf die Gesamtleistungsfähigkeit der Kommunen gewähre. Denn der rechtliche Grund des Konnexitätsprinzips liege darin, daß das Land die Kommune durch die Übertragung von Aufgaben belaste und sich selbst mittels dieser Aufgabenübertragung von eigenen Kosten entlaste. Dem ist nichts hinzuzufügen. Der vom Land zu erbringende finanzielle Ausgleich umfaßt im übrigen sowohl die Sachkosten als auch die Verwaltungskosten. Es ist im Prinzip nichts dagegen einzuwenden, wenn die gebotene Kostendeckung im Finanzausgleichsgesetz vorgenommen wird. Allerdings muß der tatsächlich erfolgte Ausgleich verifizierbar sein, d.h. ausgewiesen werden. Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß das Landesverfassungsrecht, namentlich wenn es so unmißverständliche Regelungen wie hier in Sachsen-Anhalt enthält, weitreichende Vorkehrungen gegenüber einer Erosion der kommunalen Finanzen durch landesgesetzliche Aufgabenübertragungen auf die Kommunen trifft. Es hängt von den konkret beteiligten politischen Akteuren ab, ob die verfassungsrechtlichen Sicherungen tatsächlich greifen. Verfassungsrechtlich weniger abgesichert ist der Finanzstatus der Kommunen gegenüber Aufgabenzuweisungen des Bundes. Um so wichtiger ist daher die Abwehr unzulässiger Aufgabenübertraguungen selbst. Für den strikten Ausnahmefall der zulässigen unmittelbaren Aufgabenübertragung durch den Bund versucht man heute zunehmend, das landesverfassungsrechtliche Konnexitätsprinzip fruchtbar zu machen; zum Teil wird erwogen, die Haftung der Länder daran zu knüpfen, daß sie im Bundesrat mit darüber entscheiden, ob sie selbst oder die Kommunen belastet würden. Derartige Argumentationsversuche erscheinen mir wenig aussichtsreich. Konstatiert man daher für den Fall der bundesgesetzlichen Aufgabenzuweisung an Kommunen das Fehlen einer einklagbaren strukturangemessenen Finanzierungsverpflichtung, bleibt es in solchem Fall de constitutione lata bei einem rein quantitativen, in den allgemeinen Anspruch auf eine insgesamt ausreichende Finanzausstattung eingebundenen Ausgleichanspruch an die Länder. Zur Befriedigung dieses Anspruchs müssen die Länder durch die Mechanismen der bundesstaatlichen Finanzverteilung und des Finanzausgleichs in den Stand gesetzt werden, nicht zuletzt durch eine entsprechende Bemessung ihrer Umsatzsteuerbeteiligung. Gerade die jüngste Vergangenheit hat, meine ich, gezeigt, daß Änderungen der Beteiligungsquote bei der Umsatzsteuer anläßlich von Aufgaben- und Lastenverlagerungen im Verhältnis von Bund und Ländern - und das heißt ja auch: Kommunen - sehr wohl praktisch möglich sind. Zu verweisen ist weiter auf das Institut des Mehrbelastungsausgleichs nach Art. 106 Abs. 4 GG. Werden den Ländern durch Bundesgesetz zusätzliche Aufgaben auferlegt, so kann nach dieser Vorschrift die dadurch bedingte Mehrbelastung an Stelle einer Revision der Umsatzsteueranteile von Bund und Ländern durch Zuweisungen des Bundes an die Länder ausgeglichen werden, wenn die Mehrbelastung auf einen kurzen Zeitraum begrenzt ist. Dieses Recht kann sich zu einer Pflicht verdichten.

 

Der nach diesen Überlegungen jedenfalls greifende Ausstattungsanspruch einer Kommune wird als verletzt angesehen, wenn die jeweilige freie Spitze zur Erfüllung der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben weniger als 5 bis 10 Prozent der insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel beträgt. Hiermit scheint mir in der Tat eine äußerste Grenze bezeichnet zu sein; das gilt auch, wenn man berücksichtigt, daß der Anspruch nur im Zusammenhang mit den legitimen Finanzbedürfnissen des Bundes und der Länder gesehen werden kann.